Zurück in Guatemala
13. November 2021/Rio Dulce - Guatemala
Kneif mich mal!
Friedrich zwickt in meinen Arm - ich bin hellwach und stehe auf einem Steg. Hinter mir Dschungel, vor mir die EDEN, friedlich in der Sonne schaukelnd auf dem Rio Dulce.
Wir sind zurück in Guatemala. Unfassbar! Das ist kein Traum - aber traumhaft! Nach all diesen vielen Monaten der Ungewissheit, dem Auf-und-Ab der Einschränkungen, der Erkenntnisse, der Trauer, des Hoffens konnten wir tatsächlich die Rückreise nach Zentralamerika antreten.
Das erste Abenteuer begann schon mal in Berlin - der neue Flughafen hatte, als eigentlich keiner fliegen durfte, seinen Betrieb aufgenommen - nur das dies bei leicht steigendem Aufkommen im Chaos endete. So folgten wir der Empfehlung, vier Stunden vor Abflug dort zu sein. Mitten in der Nacht brauste Martin mit seinem Kaffeeauto und unseren Seesäcken voller technischer Ausrüstung durch das schlafende Berlin. Am Check In warteten wir mit vielen anderen Stunde um Stunde, bis dann relativ kurz vor Abflug der Schalter öffnete. Glücklich saßen wir im Flieger nach Madrid - unser Ankerwinsch-Motor und die Schubstange des Autopiloten, diverse Relais und Sicherungen hatten offensichtlich die Sicherheitskontrollen überstanden.
In Madrid mussten wir uns sputen, um per U- Bahn von einem zu anderen Terminal zu kommen, gleich gings weiter direkt nach Guatemala City - genau 8698 km Distanz, das meiste über dem Atlantik und dem Karibischen Meer. Wir überflogen die Azoren, die Jungferninseln, die Dominikanische Republik. Weil der Himmel ohne Wolken, sahen wir die Strände von Punta Cana, die Flussmündung von La Romana, die Hauptstadt Santo Domingo. Später entdeckten wir Inseln, eingebettet in tiefblaues Wasser, umgeben von Riffen und türkisfarbenen Buchten - die Islas de la Bahia vor der Küste Honduras. Wir schauten uns an: Da könnten wir doch vielleicht hin segeln - oder? Und gleich die Frage: Geht das? Nicht segeltechnisch - das dürfte gehen, war uns klar. Aber pandemiezulässig? Was geht?
Bevor wir ins Grübeln kamen, erblickten wir unter uns den Rio Dulce, die Gebirgslandschaft von Guatemala, die Hauptstadt.
Glücklich, dass der Zoll uns gleich mal durchwinkte, bestiegen wir ein Taxi, das uns zu unserer Pension in der Altstadt brachte. Große Wiedersehensfreude beim Wirt Giovanni, der uns schon für den nächsten Morgen einen Wagen nach Rio Dulce geordert hatte.
Pünktlich um 9 Uhr stand ein blitzweißes Auto zu unserer Verfügung. Fahrer Guillermo packte all unser Gpäck in den Kofferraum, während Assistentin Claudia uns zeigte, dass Getränke, Knabberei, WLAN an Bord für uns vorhanden seien. Wow! Fünf angenehme Fahrstunden später setzen uns die beiden am Ufer des Rio Dulce ab und gleich darauf legte eine Lancha an, die uns und unser Gepäck zur Marina Punta Bonita schipperte.
Mittels 7 Vehrkehrsmitteln und 2 Tagen Reisezeit haben wir es zur EDEN geschafft!
Friedrich kneift mich ... nein, ich träume nicht!
Nur ein kleiner Schritt, wir sind zuhause!
Juhuu... nach 18 Monaten sind wir zurück
22. November 2021/ Rio Dulce - Marina Punta bonita
Wachküssen
Ein bisschen aufgeweckt war EDEN schon, als wir ankamen. Das Schutzcover hatten die Marina-Mitarbeiter hochgenommen, das Deck blitzblank geputzt, die Kabine gelüftet, Trinkwasser bereit gestellt.
Freudige Begrüßung, dazu Sonne, Wärme, vorbeischwebende Pelikane, orange Schmetterlinge - wie gut tat das! Dann begannen wir, unsere Prinzessin wachzuküssen: fuhren ihre technischen Systeme hoch, tankten Wasser, Energie, Gas. Krochen durch alle Innereien. Sichteten, sortierten, ordneten, putzten, wuschen. Waren zunächst überrascht, dass alles unsere lange Abwesenheit gut überstanden hatte.
Dann aber begann die Bestandsaufnahme - und unsere To-Do- Liste wurde länger und länger.
Unser Außenborder unseres Schlauchbootes aber sprang sofort an und so konnten wir unsere Marina verlassen und "to town" fahren. Wir waren sehr froh, alles in gewohnter Quirligkeit zu erleben, alle Läden, Marktstände, Bars und Restaurants noch existent vorzufinden. Als wir Guatemala in Krisenzustand 2020 verließen, war die Stimmung sehr gedrückt. Jetzt winkten alle wieder, grüßten auf der Straße, sprachen uns einfach an.
In unseren Arbeitspausen genossen wir die aromatischen Papayas, die zuckersüßen Bananen, saftige Ananas. Sonntags marschierten wir durch Kakaoplantagen und Mangrovendschungel bevor wir in der Abendkühle noch einige Arbeiten erledigen konnten.
Und nach und nach wachte die EDEN aus ihrem eineinhalb Jahre dauernden Schlaf auf.
Jetzt ist Werft angesagt
3. Dezember 2021/ Rio Dulce - RAM Marina
Papageien über´m Frühstückstisch
Kreischend flattert ein Papageienpärchen über unserem Frühstückstisch - nur das wir unser Frühstück hoch oben im Cockpit einige Meter über Kieselsteinen verdrücken. EDEN stand an Land, wir konnten nur per Leiter das Boot verlassen. Nicht wirklich komfortabel und daher mühen wir uns, die Arbeiten, die nur ausserhalb des Wassers machbar sind, so schnell wie möglich zu erledigen.
10. Dezember 2021/Rio Dulce
Ab ins Wasser
Alles war erledigt, der Kran setzte die EDEN wieder behutsam ins Wasser. Endlich konnten wir einfach die Leinen loswerfen. Die Seenlandschaft des Rio Dulce lag vor uns!
19. Dezember 2021/Rio Dulce
Unter weißen Segeln
wir ankerten mit unserem generalüberholten Ankergeschirr in der Monkey Bay - hörten tatsächlich auch die Brüllaffen, die der Bucht wohl den Namen gaben. Dort schlugen wir die Segel an und dann zogen sie uns bei einem frischen Wind hinaus auf den El Golfete, einen großen See mit vielen Ankermöglichkeiten. Unser Ziel war aber das Ende des Sees, wo wir einen Besuch bei einem Deutschen Paar machen wollten, das wir schon vor einigen Jahren kennengelernt hatten. Es war der erste Advent - wir bekamen sogleich eine Einladung zur Kaffeerunde - und am nächsten Morgen zu einem Rundgang durch einen Garten, den man wohl tatsächlich paradiesisch nennen kann. Wuchsen doch dort die herrlichsten Blütensträucher, Orchideen, Seerosen, gigantischer Bambus, Früchte wie Ananas, Papayas - überschattet von Urwald-Giganten. Dazwischen schaukelten Schmetterlinge, flitzen Kolibris.
Ein plötzlich aufkommender Wind, der unser Bootsheck gen Land zeigen ließ, machte unserem Besuch ein jähes Ende und wir verkrümelten uns in die nächstliegende Bucht mit Namen Buena Vista. Den "Schönen Blick" aus dieser Bucht hat man wohl von einem der traditionellen Häuser mit umlaufender Terrasse, die Doris und Stacho bewohnen - und den wir gemeinsam mit ihnen am nächsten Tag genießen durften.
Nachts brach dann ein heftiges tropisches Gewitter los, es blitze taghell, prasselte auf unser Deck, Donnerte, dass die Matratzen vibrierten, zerrte an der Takelage und ließ einen Rettungsring über Bord gehen. Ärgerlich! Am nächsten Morgen war der Himmel wie frisch geputzt. Wir ließen das Dinghi zu Wasser und begaben uns auf Suche - in den Mangroven leuchtete tatsächlich etwas orangefarbenes auf - unser Rettungsring! Lektion wieder gelernt: Alles schön antütern!
Im Wassergarten
Gemütlich segelten wir einige Buchten weiter in die sogenannte Texan Bay - ein Texaner bietet dort tatsächlich auch schön gekühltes Bier an, was den Käpt´n höchst erfreute.
Fast noch schöner - selbst für Käpt´n;-) - war allerdings das Mangrovengebiet, genannt Jardines Acuáticos - Wassergärten. Die luden natürlich zu einem Schlauchbootausflug ein. Leise tuckerten wir in die Creeks, in denen sich noch der Morgennebel hielt. Weiße und graue Reiher saßen lauernd im Gehölz, Wasserhühner liefen auf Seerosenblättern, hoch in der Luft schwebte ein großer Vogel - sah aus wie ein Fischadler. Auch Möwen und Fregattvögel kreisten über uns - das Meer ist ja nicht weit.
Anfangs glitten wir an Stelzenhäusern vorbei und dann öffnete sich eine Seefläche. Irgendwo fanden wir einen Ausgang, tuckerten in der schmalen Wildnis weiter zum nächsten See. Auf dem Rückweg - im Gegenlicht der Sonnenstrahlen, die sich durch das Blätterdach tasteten - plötzlich ein riesiger blauschwarzer Schmetterling! So viel Glück an einem Morgen!
Bei unserer Rückkehr zur EDEN hatten wir einen neuen Ankernachbarn - der Katamaran von Harald, der schon in der Werft neben uns lag. Und er hatte noch einen Überraschung für uns: Sein Buch über seine Reise auf dem Roten Meer! (Später für uns eine absolut spannende Lektüre, die uns den Hut ziehen ließ)
Beim Texaner gab es noch ein gemeinsames Abschiedsbier - wir wollten zurück zur Werft, Harald hinaus auf´s Meer!
31. Dezember 2021/ Rio Dulce - San Felipe
Walter und Marvin
Pünktlich um 8 Uhr klopfte es auf unser Deck und zwei Schiffszimmerleute stiegen samt ihrem Werkzeug über. Nach mehr als zwei Jahrzehnten war der furnierte Teakbelag auf Sitzflächen und Boden ziemlich hinüber. Und hier, wo die besten Rohstoffe für den Schiffsbau wachsen, die Leute wahre Holzkünstler sind, ihre Häuser, Möbel, Gebrauchsgegenstände, selbst Waschbecken daraus bauen - hier wäre doch der beste Ort, diese Arbeiten erledigen zu lassen, so unsere Idee.
Nun lagen wir am Steg der RAM Marina und sogleich rückten Walter und Marvin mit Stechbeitel und Hammer unterem Teak im Cockpit zu Leibe. Messen, sägen, anpassen, kürzen, nochmal ein halbes Millimeterchen... akkurat, in Linie von einer zur anderen Fläche legten sie die neuen Teakhölzer aus. Fläche für Fläche entstand neu, wurd verfugt, geschliffen.Seidig fühlte sich Stück für Stück unter unseren Händen und Füßen an!
Zum Jahresende hatten die beiden fast alles fertig - nur der Boden war noch nicht wasserfest umrandet. In diesem Zustand hätten wir das Neujahrswochenende in der Werft bleiben müssen. Als sie unsere traurigen Blicke sahen, überraschten sie uns mit der Nachricht, am Silvestervormittag eine Sonderschicht einzulegen.
Silvester-Sunset
Am späten Nachmittag schaukelten wir auf dem Izabal, einem westlicher gelegenen See. Hier spürten wir kaum etwas von dem Rummel, der über dem Fluss seit Weihnachten losbrach. Offensichtlich waren nicht nur die Hauptstädter in ihre mondänen Ferienhäuser eingezogen, sondern auch aus den umliegenden Ländern Urlauber in die Lodges. Für den Wasserspaß dienten nicht nur die Megayachten, sondern auch Jetskis und alles was hinter schnellen Sportbooten hinterher gezogen werden kann. Für den besseren Überblick sorgten Hubschrauber und Kleinflugzeuge.
Nach und nach bevölkerte sich unser Ankerplatz - über achtzig Yachten ließen um uns den Anker fallen und genossen wie wir den letzten herrlichen Sonnenuntergang des Jahres.
5. Januar 2022
Goldregen
Zum Jahreswechsel lassen es die wohlhabenden Guatemalteken richtig krachen! Mitternacht stiegen überall aus dem Mangrovendschungel die buntesten Lichter, glitzernsten Pusteblumen, goldigster Regen auf, um sich dann im Wasser zu spiegeln. Von unserem Boot aus hatten wir einen wundervollen 360°Rundumblick.
Ganz unspektakulär leuchtete um uns immer mal wieder ein Glühwürmchen auf - was uns mindestens so entzückte, wie das Lichtermeer am Himmel.
Letzter Schliff
Im neuen Jahr schliffen die Zimmerleute das neue Cockpit, brachten noch ein paar Ablagen in einem unserer Schränke an.
Jetzt schauen wir mal, was noch so geht...