Von der Ostsee in den Ärmelkanal


Die See ruft

Der Seesack geschnürt, Kartoffeln geerntet, Marmelade gekocht – alles gebunkert, Abreisetermin vom derzeitigen Liegeplatz in Barth steht fest. Und dann kommt kräftiger Wind genau aus der Richtung, in die wir wollen!

So sorgte Rasmus für einen ungeplanten Stopp in dem kleinen Hafen Barhöft. Bloß gut, denn ohne den inzwischen schon traditionellen Abschiedssegen unserer dort wohnenden Freunde Sylvia und Dirk hätten wir gar nicht lossegeln können! Trotzdem pustete am nächsten Morgen der Wind weiter und wir mussten stundenlang gegenan kreuzen – nicht wirklich toll! Aber die See ruft!

 

1. August 2015

Einlaufen in den Alten Strom von Warnemünde, Windstille hinter den Kapitänshäusern, ein „Ankommer“ und schon war der Magen wieder beruhigt und die ersten blauen Flecken vergessen! Der nächste Morgen überraschte uns mit Sonnenschein und fröhlichen Boots-Päckchennachbarn, mit denen wir dann auch gleich gemeinsam zur Strandparty von NDR2 zogen – unglaublich, denn außer uns fünf Seglern  tanzten dort noch 34.995 andere Leute im weißen Sand!

Mit fast karibischen Feeling und Sonne segelten wir weiter gen Westen, bestaunten einen wunderbaren Sonnenuntergang an der Fehmarnsundbrücke vor Heiligenhafen und steuerten am nächsten Tag Kiel an. Aber wer hätte das gedacht – wir segelten erst mal vor der Küste von Brasilien und später vor Californien.  Schon mal Urlaub dort gemacht? Geht ganz einfach, nur mal nach Schleswig-Holstein fahren! Wir jedenfalls segelten an deren Stränden vorbei in die Kieler Förde.

Für die Schleusung in den Nordostseekanal nahmen wir mit einem dicken Kuchenpaket Friedrichs Patenkind Sabine samt Tochter Ida an Bord. Muße für einen ausgiebigen Kaffeeklatsch blieb allemal, die Schleusen-Wartezeit war beträchtlich. Doch dann ging alles ganz schnell und schon sprangen die beiden hinter der Schleuse wieder abschiedwinkend an Land.

Am nächsten Morgen stand kurz vor Rendsburg ein Tramper an der Pier vor einem dicken Tanker aus Panama… Dag, unserer fröhlicher Päckchennachbarn von Warnemünde. Er hatte uns landseitig eingeholt! Mit seiner ganzen Familie sprang er an Bord, Picknickkörbe voller Leckereien versüßten die eigentlich sonst eher langweilige Kanalfahrt und mit unseren Mitfahrern wurde sie sowas von lustig!

Mit der Schleuse in Brunsbüttel öffnete sich das Tor zur Nordsee – doch wir bogen erstmal links ab, also elbaufwärts. Ziel Hamburg. Dort Treffen mit Freunden, Bekannten, Familie...exklusive Kapitänsführung auf der Rickmer Rickmers...Speicherstadt mit Internationalem Maritimen Museum... nächtlicher Bummel durch das Schanzenviertel... ach ja, und zwischendurch noch ein paar Basteleien an unserem Schiffchen. Die Tage vergingen ganz schnell und am Sonntag nach der frühmorgendlichen Party auf dem Fischmarkt nutzten wir das ablaufende Wasser und segelten mit Rauschefahrt flussabwärts, ankerten bis zur nächsten Tide vor Brunsbüttel und ließen uns dann weiter auf die Nordsee schieben.

10. August 2015

Vor uns tauchte der Helgoländer Felsen auf, an dem wir einfach nicht vorbei konnten. Gibt es doch dort Schiffsausrüster, die die leckersten Sachen bis auf den Anlegersteg liefern, dazu zollfrei! Wie man allerdings die Getränkepaletten und Gummibärkartons an Bord bekommt, ist dann Sache der Crew. Bei Bootspäckchen bis zu acht Schiffen keine leichte Aufgabe und so schleppten wir alles über Relings und Decks bis in unsere Proviantkisten.
Gegen Hunger und Durst gut gewappnet, segelten wir mit sanftem Wind von hinten  wie auf Schienen nach Westen. Das ließ sogar einen Seehund staunen, der verwundert seinen Kopf aus dem Wasser steckte und uns mit seinen großen Augen verfolgte. Wir passierten Windparks, Bohrinseln, genossen Sternschnuppen-Nächte. Nach zwei Tagen, viel schneller als gedacht, erreichten wir die Themse-Mündung!  Und prompt zog eine Gewitterfront auf, mit Regen und starkem Wind im Gepäck. Für die Nacht verkrümelten wir uns erst einmal in einen Creek des Seitenflusses Medway River.

14. August 2015
Auf nach London! Die Themse aufwärts ist zwar spannend, weil ziemlich kurvig und man hinter jedem Mäander das Auftauchen eines Stücks traditionellen Englands erwartet. Weit gefehlt: Ein schrottiger Kai löst den anderen ab, Schiffe zum Entladen fehlen. Gespenstisch. Muffiger Waschküchengeruch waberte über den Fluß. Schließlich begann es noch zu regnen - die Insel machte ihrem Ruf alle Ehre! Dann aber ein grüner Hügel über herrschaftlichen Palästen - wir passierten Greenwich und damit auch den Null-Meridian! Weiter vorbei an gigantischen Wolkenkratzern der Isle of Dogs, an modernen Apartmenthäusern und uralten Speichern, umwuselt von Riverbussen, Schubeinheiten und Speedbooten landeten wir tatsächlich vor der Tower Bridge. Hier ging´s für uns nicht mehr weiter. Klar, wegen der Masthöhe. Aber auch, weil keine der Stadtmarinas uns aufnehmen wollte. Ziemlich enttäuscht machten wir wenigstens ein Fotos mit Hintergrund London City und wollten uns schon auf den Rückweg zur Nordsee machen, da entdeckten wir einen Anleger mit Hausbooten und einen Hinweis auf Besucher... Also nichts wie ran an den Steg! Und tatsächlich wurden wir von der Community aufgenommen. Liegeplatz genau vor der Tower Bridge - exklusiv, aber irrsinnig schaukelig. An uns rasten sämtliche Highspeedausflügler vorbei, nur nachts und in den frühen Morgenstunden floß die Themse still vor sich hin. Unser Nachtschlaf war somit gesichert und am Tage war eh´Sightseeing angesagt. Tower und St. Pauls, Big Ben und Hydepark, Themse auf und ab, mit Seilbahn drüber, Mit Tube unter durch... Blasen gelaufen, Fish&Chips gefuttert, mit Ale gestärkt weiter und weiter... Der schönste Blick auf London? Vom Observatorium Greenwich! Dort wo noch immer den Kapitänen auf der Themse mit dem Fallen eines roten Balles täglich punkt 13 Uhr die genaue Zeit gegeben wird!


19. August 2015
Bevor wir die Mündung der Themse verließen, nahmen wir noch eine Vermessung der Tiefen vor... zugegebenermaßen unfreiwillig! Gerade hatten wir unseren Spi gesetzt, wollten zwischen zwei Sandbänken durch, da stoppten wir plötzlich auf. Tiefe: 1,60 m. (1,85 brauchen wir). Ein Schiff der Coast Guard, das uns beobachtete, informierten uns über einen neu gebaggerten Kanal, gleich 50 Meter daneben.  Irgendwann kam die nächste Flut, wir schwammen auf und konnten unseren Weg fortsetzten. Nur fehlten die zwei verwarteten Stunden! Inzwischen lief uns der Strom in der Einfahrt zur Straße von Dover entgegen, der Wind auch. Wir kreuzten, überlegten zum französischen Calais zu segeln (die Aussicht auf frisches Baguette ließ schon das Wasser im Mund fließen), schafften dann aber doch noch unser Ziel Dover. Schließlich wollten wir doch mal oben auf den weißen Klippen stehen!


4. September 2015
Wir sind am Ausgang des Ärmelkanals angekommen. Bisher lief alles super, konnten kurze Stipvisiten in Portsmouth, Southampten machen. Dann lagen wir fünf Tage in Cherbourg wegen des ungünstigen Wetters fest.
Ein Highlight war unser Besuch der Insel Sark, aber auch ein Fahrradausflug auf Jersey. Sehr gut hat uns die Altstadt und die Bucht von St. Malo gefallen. Ein Stück wunderschöne Natur bewunderten wir heute im britonischen Ploumanac´h.

5. September
Wir haben den Ausgang des Ärmelkanals erreicht! Die ersten Basstölpel fliegen um uns, eine Schildkröte hebt zum Gruß ihr Ärmchen aus dem Wasser, schließlich noch eine Schule Delfine. Es wird merklich wärmer und das Meer strahlt blauer!
Allerdings ist uns in der Nacht zuvor ein Unterwant gerissen, eine der Seitenhalterungen des Mastes. Nichts dramatisches, aber es muss schnellstens erneuert werden. Wir entschlossen uns, Lorient anzulaufen - eines der Seglerzentren an der französischen Atlantikküste.

Unser "Sail away", unser Absprung ist gelungen - auf in die Biskaya!