Von der Bretagne nach Nordspanien
9. September 2015
So schnell wollten wir gar nicht nach Süden und Lorient war auch nicht als einer der Anlaufhäfen gedacht - aber manchmal kommt es eben anders. Am Ausgang des Ärmelkanals ist uns ein Unterwant gebrochen. Für die Reparatur brauchten wir eine Werkstatt. In die Bucht nach Brest wollten wir nicht, also war der nächste große Ort Lorient.
Während unser Want neu angefertigt wurde, stellten wir fest, dass wir mitten in der französischen Seglerwelt gelandet waren! Mit einer riesigen Ausstellung in einem futuristischen Gebäude hat man den französischen Seglerpionieren wie Montessier und Taberly ein Denkmal gesetzt und dazu den heutigen Hochseeregatta-Helden.
Ganz echte französische Segler hatten wir sogar an Bord: Isabell und Pascal. Die beiden hatten wir vor sechs Jahren in Spanien kennen gelernt und der Kontakt ist nie abgebrochen. Sie wohnen in der Nähe von Lorient und kamen einfach mal vorbei.
Als wir unseren Want wieder eingebaut hatten, der Mast wieder optimal getrimmt war, warfen wir die Leinen los, nächstes Ziel: Belle Ile, die schöne Insel.
12. September 2015
Schon als wir die Insel ansteuerten, schauten wir von Weitem in eine schmale Bucht zwischen schroffen Felsen mit einigen Masten. Später schlichen wir uns zwischen aufragenden Felsen dort hinein und wurden mit fröhlichem Winken von einer deutschen Yacht begrüßt und mit den nötigen Infos über die Ankerverhältnisse versorgt - wir luden dafür auf ein Bier zu uns an Bord. Mit der SEVEN SEAS hatten wir richtige Revierkenner getroffen! Und glatt verabredeten wir uns für den nächsten Abend in einer Ankerbucht der nächsten Insel Houat. Gemeinsam gingen wir auf Inselerkundung. Idylle pur: kleine weiße Häuser mit blauen Fensterläden, prächtigen Blumen, Rosenranken davor. Dorfkonsum, Bäcker, Café, Kirchlein. Opa dösend im Herbstsonnenschein auf dem Dorfanger. Brombeeren, Schlehen, Kräuterwiese. Und doch kann Idyll trügen: am Schlauchboot zurück, empfing uns eine prächtige Dünung. Da mussten wir durch und uns gleich noch einen neuen geschützten Ankerplatz suchen.
15. September 2015
Alle unterwegs getroffenen Segler waren sich einig für ein unbedingtes "Muss": Golf von Morbinan! Von der Insel Houat nur ein Katzensprung. Und so segelten wir samstags mit bestem Wind und Sonnenschein all den französischen Wochenendseglern entgegen zum Festland. Den Golf, ein kleines Binnenmeer, kann man nur bei Hochwasser durch eine schmale Einfahrt zwischen zwei Landzungen erreichen. Hinter diesen strudelte es, Wellen liefen inneinander und dann waren wir mitten in einer Welt von über 40 Inseln! Nett sahen die Ankerplätze auf der Karte aus... doch in der Realität waren sie mit hunderten von Booten belegt. So tasteten wir uns durch das Insellabyrinth in einen Kanal und erreichten den kleinen geschützen Hafen von Vannes. Der Hafenmeister grinste, als wir für zwei Nächte bezahlten. Als wir dann den neusten Wetterbericht abriefen, wußten wir warum: ein dicker Sturm wälzte sich gen Biskaya. Wir lagen fest für die nächsten fünf Tage. Mit einer süßen mittelalterlichen Stadt wie Vannes keine große Strafe! Zwischen Regenschauern konnten wir Bummeln gehen, die gut erhaltenen Stabhäuser, die Kathedrale, die dicke Stadtmauer mit üppigen vorgelagerten Gärten am Flüsschen Marle bewundern. An Regentagen blieb genügend Zeit, mal wieder Bastelstunden am Boot einzulegen, mit Bootsnachbarn zu plauschen... und einfach auf gutes Segelwetter zu warten!
20. September
Während wir in Vannes warteten, tobte draußen auf der Biskaya ein richtiger Sturm. Wir kriegten davon gar nichts mit. Nur die heftige Dünung, die uns außerhalb des Golfes von Morbihan empfing, ließ uns ahnen, was los war. Das Bötchen schaukelte heftig zwischen den Dünungs- und Windwellen, die aus unterschiedlicher Richtung liefen - aber wir kamen super voran! Mit untergehender Sonne verkrümelten wir uns hinter der Insel Ile de Yeu auf einen Ankerplatz. Allerdings hätten wir wohl auch weitersegeln können, die Dünung ließ unser Schiffchen ganz arg rollen, so dass wir kaum ein Auge zu bekamen. Beim ersten Morgengrauen zogen wir den Anker und segelten bei gutem Wind und wesentlich besserem Wellenbild zur nächsten Insel Ile de Ré, gleich vor den Toren von La Rochelle. Vor der mittelalterlichen Zitadelle des Inselstädtchens St. Martin mussten wir auf Hochwasser warten, dann erst wurde Tor und Hafenbrücke geöffnet. Nach der Schaukelei empfing uns die abendliche Stille eines idyllischen Fischerortes. Doch weit gefehlt - am nächsten Morgen wuselte es nur so. Wochenende und alle Leute vom Festland enterten St. Martin ob per Boot, Porsche oder Rad. Wir flüchteten erstmal und setzten uns in einen Bus, der uns über die Inselbrücke nach La Rochelle brachte. Zielgerichtet marschierte der Käpt´n durch die hübschen Gassen Richtung Stadthafen und dann weiter zum Yachthafen. Wahnsinn, die gigantische Zahl der dort liegenden Segelboote! Dazwischen fand gerade noch einen Bootsausstellung statt und neben den modernen zu verkaufenden Megayachten schaukelte ein kleines rotes Bötchen: JOSHUA, das Boot des berühmten französischen Weltumseglers Bernhard Moitessier aus den 60igern... das war noch ein richtiger Abenteurer! Auf dem Rückweg beschlossen wir, in den nächsten Tagen mit dem Boot in den Altstadthafen von La Rochelle zu fahren.
Aber erst einmal mussten wir ja wenigstens unsere neue Insel Ile de Ré erkunden - wir bauten am nächsten Morgen unsere Klappräder auf und radelten bei Sonnenwetter(!) auf den super angelegten Radwegen fernab der Autostraßen am Meer, zwischen Salinen, durch kleine verschlafenen Orte, entlang an riesigen Weinfeldern. Durch ein großes mittelalterliches Tor gelangten wir spätnachmittags wieder nach St. Martin, kraxelten wegen einer schönen Foto-Aussicht auf den Kirchturm und stärkten uns unten angekommen mit einem leckeren Inselwein. Zurück an Bord öffnete sich gerade das Hafentor zum Hochwasser, wir machten die Leinen los und segelten sanft im Abendrot Richtung La Rochelle.
24. September 2015
Am kommenden Morgen, als genug Wasser vor den Hafentoren stand, um sie zu öffnen, glitten wir am ältesten Leuchtturm der Atlantikküste und zwei weiteren mittelalterlichen Wachtürmen vorbei in den Stadthafen von La Rochelle. hinter uns schloss sich Brücke und Tor - wir lagen geschützt und sicher, wie schon Seefahrer seit Hunderten von Jahren. Bei Sonnenschein schrubbten wir auf und unter Deck, bald flatterte große Wäsche an allen Leinen. Zeit zur Stadterkundung: Großes Hafentor, kleine Gassen, Flanieren unter Arkaden, Besteigung eines der Wachtürme. Den folgenden Regentag verbrachten wir im Maritimen Museum. Hier trafen wir nochmals auf die JOSHUA und wurden promt unter Deck gebeten. Mehrere Herren saßen dort fröhlich beim Kaffee - sie erhalten und segeln das Boot von Moitessier unter der Fahne des Museumshafens. Ja, und nicht zu vergessen der wunderbare Markt von La Rochell. In und um eine wunderschöne Markthalle in mitten der Gassen tummelten sich zahllose Stände mit den köstlichsten Sachen, die aus Gärten und Plantagen oder auch aus dem Meer stammten. Dazu Käse, riesige Brotlaibe, Süßigkeiten, Duft nach frisch gebackenen Crepes.
Mit gut gefüllter Gemüsekiste und dem inzwischen langsam in die richtige Richtung drehenden Wind konnten wir nun unseren Sprung nach Nordspanien wagen!
27. September 2015
Wir sind gut nach zwei Segeltagen und -nächten im spanischen Gijón angekommen. Allerdings durch den achterlichen Wind wiedereinmal auf totalem Schaukelkurs. Alles flog hin- und her, nicht nur Dinge im Boot, die gerade nicht festgeklemmt waren, auch nicht fixierte Schranktüren knallten, Geschirr oder Zutaten für´s Kochen rutschten auf Tischflächen von einem Ende zum anderen - wir selbst mussten alles mit "links" machen, mit der rechten hieß es, sich selbst permanent festzuklammern. Aber auch die Segel schlugen wie wild. Irgendwann in der Nacht raschelte der Spinacker aber nur noch schwach, im Sucherlicht der Taschenlampe hing er traurig mit großem Riss... eine der Ecken hatte mal wieder dem Druck nicht stand gehalten. Also mussten wir mit schlagender Passatbeseglung weiter.
Ganz wie geplant, erreichten wir in den frühen Morgenstunden die spanische Küste. Wir bummelten noch etwas, wollten wir doch lieber im Hellen den Hafen entern. Doch es war schon nach 7 Uhr und nach kein Morgensschimmer am Himmel! Frankreich und Spanien haben die gleiche Uhrzeit wie Deutschland, liegen aber viel westlicher. Die Sonne geht gefühlt erst kurz vor Mittag auf (dafür ist es abends immer noch bis fast 21 Uhr hell!). Naja, so bummelten wir also, bis wir im ersten Büchsenlicht den Hafen erreichten und erst einmal in die stillstehenden Kojen fielen.
Im knalligen Sonnenschein gingen wir später auf Landgang, fanden Plätze mit mondänen Palästen, Kirchen, aber auch römische Mauerreste. Ein Schild zeigte den Beginn der "Routa de la Plata", der Silberstraße - eine uralte Verbindung, die längs über die Iberische Halbinsel führte und Gijón mit Sevilla verband.
In der Marina zurück machten wir uns an die üblichen Putz- und Bastelarbeiten, kamen dabei mit all unseren Nachbarn ins Gespräch.. es lagen ja mit uns nur sechs Segelboote am Besuchersteg: je eins aus Frankreich, Spanien, Belgien, Holland, Finnland. Während Franzosen und Spanier gen Nordosten wollten, war das Ziel der anderen klar: Wie die Zugvögel nach Süden! Nun hatten wir die Karavane erreicht, ab jetzt würden wir immer auf Mitsegler treffen. Und so war die Verabschiedung bei auslaufenden Schiffen immer nur kurz mit dem Zusatz: "See you..."
1. Oktober 2015
Schon nach unserem kurzen Tagestörn von knapp 30 Seemeilen sahen wir die ersten wieder - unsere holländischen Nachbarn ankerten schon im kleinen Fischereihafen von Cudillero. Wenn wir nicht so gute Revierführer dabei hätten, wir wären vorbei gefahren! Dieser Hafen liegt von draußen fast nicht erkennbar an einer Felswand, der dazugehörige Ort windet sich in einem Taleinschnitt in die Höhe. Überhaupt ist die Segelei an dieser Küste sehr spannend, da es immer etwas zu sehen gibt, sich immer neue Blicke auftun: Schroffe Felsen, weich mit grünen Wiesen bedeckt, dahinter noch höhere Gebirgskämme. Kleine Orte, deren Häuser kleinen weißen Pünktchen glichen, in Felsenbuchten eingelassenen Strände, Kaps mit weit ins Meer ragenden Felsenspitzen. Aber immer ist alles grün bewachsen, nicht umsonst trägt die Küste den Namen Costa verde!
Da wir noch einige der Buchten dieser Küste anlaufen wollten, ging es am nächsten Morgen gleich weiter - nein, nicht gleich! Unsere Abreise stoppte eine Mooringleine, die sich unter unserem Boot verfangen hatte. Mutig stieg der Käpt´n ins eiskalte Hafenwasser, tauchte unter unser Boot, fädelte die Leinen unter dem Ruder und zog die Mooringtonne einmal unter dem Schiffsboden durch und kletterte schnell wieder auf das wegtreibende Boot. Während er eine heiße Dusche nahm, steuerte Kapitana durch die schmale Felseneinfahrt des Hafens hinaus und nahm Kurs zu unserem nächsten Ziel Ribadeo auf.
Auch hier waren unsere Holländer schon vor uns angekommen! Sie nahmen die Leinen entgegen und winkten ab, in den Ort müsse man nicht wirklich laufen. Es war für uns ohnehin zu spät, also entschieden wir uns, lieber ein schönes ausgiebiges Abendessen zu kochen. Am nächsten Morgen (oder besser bei den Sonnenaufgangszeiten am nächsten Vormittag) drängelte Bordfrau nach einem Stadtrundgang - und siehe da, der unten vom Hafen recht unscheinbare Ort erwies sich als niedliches Städtchen mit ansteigenden gepflasterten Gassen, uralten Häusern, davon denen viele gerade neu restauriert wurden, ein beeindruckender Platz mit Jugendstilpalästen und Kathedrale, Fußgängerzonen mit kleinen Läden, Restaurants und Bars. Auf einem der Plätze war gerade Markttag und es quirlte nur so zwischen Obst- und Gemüseständen, Verkaufstischen mit Seranoschinken in allen Größen, Käselaiben, Stangen mit Winterjacken, Hausschuhen, Stoffballen. Aus dem Gassengewirr zurück am Wasser, kleine Kapellen auf Felsenspitzen, von denen wir immer einen Ausblick auf die Meeresbucht und eine große Autobahnbrücke darüber hatten. Promt verschoben wir unsere Abreise um ein paar Stunden und liefen bis zu einer vorgelagerten Insel mit Leuchturm, pflückten einen wunderbaren Wiesen-Blumenstrauß, derweilen die Sonne mit hundert Pfund die Wolken wegleckte und wir uns von unserem Marsch mit einem gallicischem Cerveca stärken mussten! Dann konnte es weitergehen - wieder ein kurzer Törn zu einer der nächsten Meeresbuchten.
Auch die Einfahrt zur Bucht von Viveiro kaum im schroffen Felsengewirr auszumachen, kleine Leuchttürme lassen sie erahnen - erst direkt an der Einfahrt kann man hineinschauen. Trotzdem war immer der Blick auf die Karte notwendig, es gibt überall Untiefen, Unterwasserfelsen. Wir tasteten uns an eine kleine unbewohnte Felseninsel, hinter der sich eine Sandbucht mit einigen Villen auftat. Im letzten Büchsenlicht ließen wir den Anker fallen. Mit einem Ankommer hockten wir im Cockpit und plötzlich hatten wir beide gleichzeitig die Frage für den anderen: An was erinnert dich das hier? Und beide dachten wir an die Bucht von Paraty an der Ilha Grande in Brasilien... nur dass es dort 30 Grad wärmer war!
Wie auch schon an den anderen Tagen brauchten wir für unseren nächsten Tagestörn wieder Skianzug und Mütze.obwohl der Wind gar nicht so stark blies. Teilweise wirbelte er nur an den Kaps auf, ging dann aber teilweise auch schlafen. So segelten wir mal, mal mussten wir auch motoren. Unser nächster Ankerplatz vor Cedeiro war zwar nicht so idyllisch, dafür aber unheimlich geschützt und wir konnten eine sogenannte "Bauernnacht", ohne Schwell und Windgeräusche verbringen. Wie erholsam!
Vor uns lag nun nur noch ein kleiner Tagestörn nach La Coruna!
6. Oktober 2015
Schon von weitem konnten wir den markanten Leuchtturm Torre de Hercules, das Wahrzeichen La Corunas aus Römerzeiten erkennen. in der ersten Marina machten wir Halt, um einen Segelmacher fiür die Reparatur unseres Spi´s zu finden. Der machte gerade Urlaub, also verholten wir uns erst einmalauf einen Ankerplatz. Am nächsten Tag legten wir uns in die Stadtmarina, die wir schon bei unseren beiden letzten Aufenthalten in dieser Stadt besuchten. Wie damals auch, wieder einmal ein Wartestopp.
Aber zunächst luden uns unsere Stegnachbarn zu einem Landausflug zu diesem Kap, das man einst als Ende der Welt bezeichnete. Nun wissen wir ja, dass es danach auch weiter geht, aber wie die Alten brauchen wir den passenden Wind!