Im Zickzack auf dem Atlantik



 14. bis 19. Novermber 2016

Die Überfahrt von La Gomera zur kapverdianischen Insel Sal mit 740 Seemeilen schafften wir in 6 Tagen, 3 Stunden und 15 Minuten. Langweilig war sie nicht. Der Wind war unbeständig, kam mal von hinten, mal seitlich, mal gar nicht, mal mit 15 Knoten, maximal 20. Wir wechselten daher häufig von Motor zu Genua und zurück, segelten Schmetterling und dann gab der Käpt´n das Komando: Spi! Unseren neuen Spinnaker, den wir aus Deutschland mitgebracht hatten und noch vom Segelmacher ordentlich in Falten verscnürt war, packten wir flux in die Spi-Tasche um und schon rauschte er aus, wölbte sich wie eine Apfelhälfte. Ehrlich gesagt, nicht sofort – irgendwie mussten wir erst den Trimm üben… jedes Segel hat auch so seinen eigenen Charakter. Aber dann zog es uns in den Sonnenuntergang und weiter gar durch eine ganze Nacht.

Nebenher konnten wir wunderbare Beobachtungen machen: Sternschuppen, Delfine, fliegende Fische. Ein riesiger Pottwal hob seinen Kopf nur eine Bootslänge entfernt aus dem Wasser und nachts glitzerte das Meer nicht nur vom Vollmond. Wenn sich Wolken vor diesen schoben, schien das Meer zu leuchten, ganze Lichtwolken explodierten hinter und neben uns. Delfine zogen blitzende Schleier hinter sich her. Mysteriöses Schauspiel, das das Meeresplankton da veranstaltete.



Am dritten Tag entdeckten wir auf unserem Bildschirm ein Signal von einem Sportfahrzeug, 7m lang, das mit einer Geschwindigkeit von 1,9 Knoten trieb. Der Käpt´n entschied, dass wir den Kurs ändern und dorthin fahren sollten. Vielleicht benötigte jemand Hilfe. Jiri starrte ins Fernglas und meinte, dass er kein Segel und keinen Mast sehen könnte. Friedrich versuchte das Boot anzufunken und just in diesem Moment entdeckte Claudia, dass es sich um ein Paddelboot handelte. Da kam auch schon einen Antwort: All OK – on the way to Caribbean! Da war doch tatsächlich ein einsamer Pole dabei, in die Karibik zu paddeln! Ganz dicht neben ihm winkte er uns fröhlich zu, filmte und hatte für unser Fotoshooting extra ein T-Shirt mit Bootsnamen übergezogen: PIANISTA. Wir überschlugen im Kopf, dass er möglicherweise noch acht Wochen bis zu seinem Ziel unterwegs sein wird. Vielleicht werden wir ihn ja dort wieder treffen? Wir jedenfalls zogen wieder unseren Spi, und ganz schnell war das Paddelboot hinter dem Horizont verschwunden.

Aber auch die Sonne und der Wind verschwanden. Grauer Himmel waberte über uns, als der Käpt´n schon mal vorsorglich die kapverdianische Gastflagge  nebst gelbem Quarantänefähnchen hisste. Kapitana setze eine Tafel Schokolade für denjenigen in Aussicht, der als erstes Land entdeckte und zu ihrer Freude war es sie selbst! Im grauen Dunst zeichnete sich einer der Vulkane der sonst flachen und kargen Insel Sal ab. Wir nutzen unseren Motor, um unbedingt noch vor der Dunkelheit in der geschützten Ankerbucht vor dem Fischerort Palmeira anzukommen.
 

19. bis 23. November 2016

Eine Nacht wie auf dem Ententeich, Sonntagsfrühstück mit Ei. Sonnenschein, sanft schaukelde Yachten aus allen Hergottländern, dazwischen huschende Dingis – ja, wir waren endlich wieder richtig unterwegs! Erster Weg durch die drei Dorfgassen zur Polizeistation, auf der sonntägliche Untätigkeit herrschte und uns mal fast nebenher der Einreisestempel gegeben wurde. Sonntag in Palmeira: Hunde liegen mitten auf dem Pflaster, Liebespaare schlendern Hand in Hand, Fahradfahrer umkurven die Hunde, Männer sitzen beim Spiel auf der Straße, umstanden von Zuschauern, Ein Fischer schiebt in seiner Schubkarre einen dicken Thunfisch vom Hafen kommend durchs Dorf. Nur die Kinder rennen, hüpfen, spielen Fußball. Auf dem Mäuerchen über dem Hafen sitzen die alte Männer – auch noch, als es langsam dunkel wurde und der Dorfplatz zu Leben erwachte: Verkaufstische wurden herangeschleppt, Kühlboxen und Getränkekisten. Holzkohle entfacht, Suppentöpfe aufgestellt und ein kleiner Imbisswagen geöffnet. Musik schallte aus der Bar, davor tanzten und tobten die Kinder. Dann wurde es voll auf dem Platz, das sonntägliche Dorffest begann – und wir mittendrin. Claudia sogar noch mehr: sie hatte einen temperamentvollen Tänzer inmitten des schummrigen und übervollen Tanzbodens gefunden.

Am nächsten Morgen machten wir uns zu einer Inselfahrt auf – per Alugér, den hier fahrenden Minibussen, gings bis zur Südspitze der Insel zum Touristenstrand Santa Maria. Auch wenn hier der Massentourismus angekommen ist, alles macht noch einen sehr beschaulichen Eindruck. Am Fischersteg landeten die kleinen Boote mit ihrer Fracht, die sogleich den Fischerfrauen übergeben wurde, die sie mit flicken Händen küchenfertig zerschnitten und verkauften. Während dessen brieten die Europäer in der Sonne oder amüsierten sich beim Wellensurfen.

29. November 2016
Endlich geht es weiter, wir haben auf Informationen aus Gambia gewartet, dort stand eine Wahl an. Aber die Situation ist ruhig und so geht´s nur weiter auf den schwarzen Kontinent.  

2. Dezember 2016
Wir liefen ein in den Gambia River. am sonst so wuseligen Ufer der Hauptstadt Banjul, wo bunte Fischerboote anlanden, kleine Fähren ablegen, Bootsbauer und Fischräucherer ihrem Geschäft nachgehen , war keine Menschenseele zu erblicken. Anruf bei Freund Alhaji: er sagte, alle Menschen seien in ihren Häusern, das öffentliche Leben erstarrt. Nichts ging... So legten wir uns im Hafen neben Militärschiffe in voller Kampfbereitschaft vor Anker. Als wir mit dem Dinghi an den Miitärsteg fuhren, wurden wir aber sehr fröhlich von Soldaten und Sicherheitsdienst begrüßt. Ein Begleiter wurde uns zur Seite gestellt, um zur ca. 15 min entfernten Immigration zu führen. Auf den Straßen Leere. Kein Mensch, kein Auto, kein Hund. Keine Geräusche, keine Musik, kein Gebet von der Moschee. Gespenstisch. Alle 200 m ein Militärposten, schwer bewaffnet - immer musste unser Begleiter erklären woher wir kommen.. dann ein breites Lächeln, Händeschütteln, Willkommen in Gambia, alles in Ordnung, Situation friedlich.
Später erfuhren wir, dass alle Grenzen geschlossen waren, sich nur wenige Europäer in Gambia aufhielten. Um das Wahlergebnis friedlich abzuwarten, hatten sich alle in ihre Häuser zurück gezogen.

3. bis 21. Dezember 2016
Und dann passierte das Unglaubliche. Die Opposition gewann die Wahl. Der alte Präsident hatte sich so sicher geglaubt, hatte seit mehr als 20 Jahren jede "Wahl" gewonnen. Aber er hatte einen islamischen Staat ausgerufen (was ihm  die Christen im Land verübelten) und hat Gambia international isoliert, war aus allen afrikanischen und Weltorganisationen ausgetreten, hatte Beziehungen zur EU abgebrochen. Katastrophe für so ein kleines Land, in dem es kaum wirtschaftliche Möglichkeiten gibt, damit die Menschen überhaupt Geld verdienen können, um ihre Familie zu ernähren, noch ihre Kinder zur Schule zu schicken (auch für die öffentlichen Schulen müssen die Eltern Geld aufbringen für Uniform, Material und ein Mittagessen). 

  Als wir auf der Suche nach einem Internet in die größere Stadt Serekunda fuhren, war der Highway gesäumt von winkenden fröhlichen Menschen. Alle erwarteten den Wagen mit den Freiheitskämpfern, die aus dem Gefängnis entlassen waren. Wir gerieten mitten in eine tanzende, feiernde Menschenmenge vor dem Haus des bekanntesten Oppositionellen Gambias und spürten eine Stimmung wie in der Nacht des Mauerfalls. Alle wünschten sich Freiheit, waren glücklich, endlich ihre Meinung laut zu sagen, riefen nach Demokratie! 
Allerdings unterlag diese Hochstimmung in den nächsten Tagen einigen Schwankungen. Hatte der alte Präsident unter Schock das Ergebnis zunächst anerkannt, lehnter er es paar Tage später ab. Die Militärkontrollen verschärften sich, alle hockten vor Internetradios und hörten BBC Nachrichten. Aber alle waren sich einig: sie werden wieder in ihre Häuser gehen, sollte die Situation eskalieren. Kämpfen wollte keiner... schließlich sind alle in diesem kleinen Land irgendwie verwandt und so würde man gegen Familienmitglieder kämpfen. Und wenn sie in ihre Häuser gingen, sollten wir ganz schnell Segel setzen, damit uns ja nichts passiert. Aber zuvor mussten wir unbedingt alle Freunde, die Familie unsere Zwillinge und die Schule besuchen...


Uta, Friedrich und Claudia

Die Schule, die wir mit Spendenmittel vor 3 Jahren unterstützt hatten, war in einem ganz guten Zustand, Dank unserer Freundin Steffi und ihrer Familie, die in den letzten 2 Jahren dort waren und immer ein bisschen Geld und  Hand angelegt hatten, ist die Lernsituation wirklich besser geworden. Steffi hatte uns Spendengelder mitgegeben und so konnten wir Schulbücher kaufen, die Erste-Hilfe-Box auffüllen und noch Geld für nötige Kleinreparaturen übergeben.
Großartig war die Aufnahme in Ibrahims Familie, die wir vor 7 Jahren kennen gelernt hatten. Die damals geborenen Zwillinge Claudia und Uta (nach Claudia und Friedrichs Tochter benannt) haben sich prächtig rausgemacht. Stolz luden sie uns zu ihrem Schulfest am letzen Tag vor den Weihnachtsferien ein. Am allerschönsten war aber für alle ein gemeinsames Familientreffen am Strand mit großem BBQ. Die Frauen hatten Fisch und Reis und Salat mitgebracht, entfachten Feuer und brutzelten den Fisch. Die Männer sprangen ins Wasser, übten sich im Wrestling. Die Kinder tobten mit uns am Strand, wir ließen Drachen steigen, bauten mit ihnen Sandschlösser, bis sie bei einbrechender Nacht in die Rückentücher ihrer Mütter krochen. Claudia bekam die kleine Rabbi aufgebunden und war so die Fotoattraktion für die Einheimischen:-)
Der Abschied fiel allen sehr schwer. Wir wünschten uns gegenseitig vorallem Frieden!

27. Dezember 2016
Gambia war nur noch ein schwarzer Streifen am Horizont, da klingelte das Telefon...alle mussten unbedingt nochmal anrufen, um uns zu sagen, dass wir ihnen jetzt schon fehlten! Doch die Wünsche für guten Wind erfüllten sich nicht ganz wirklich. Wir kriegten richtig starken Wind, raue See, Wellen stiegen ins Cockpit, eine sogar ins Innere des Bootes. Naja, eben alles was man nicht so wirklich braucht... aber der Wind kam zumindestens aus der richtigen Richtung und so waren wir wenigstens schnell. Am 1. Weihnachtsfeiertag kamen wir morgens in Mindelo auf den Kapverden an. 
Inzwischen haben wir uns von den Stapazen erholt, das Schiffchen entsalzt und fast wieder in Ordnung gebracht. Und wir haben Susi und Tom getroffen, die wir schon vor sieben Jahren auf dem Atlantik kennengelernt hatten. Eigentlich nur für einen kurzen Zwischenstopp  angelandet, hatten wir nun beschlossen,  hier ins neue Jahr zu rutschen und dann unsere Atlantikquerung zu starten.

1. Januar 2017
Lustig war unser Rutsch ins neue Jahr allemal, taten wir es doch gemeinsam mit der Crew des deutschen Segelbootes SVEA. Nach dem Bestaunen des riesigen Feuerwerkes genau vor der Marina stürzten wir uns in das Gewimmel auf dem Rathausplatz. Aber in bisschen vernünftig waren wir doch: Bis zum Partyende blieben wir nicht...weit  vor dem Ende (die Feier ging bis 9 Uhr früh) standen wir schon wieder auf und machten die letzen Handgriffe für unsere große Fahrt.
Dann hieß es Leinen los - vor uns lagen fast genau 2000 Seemeilen. Ziel: Barbados!

17. Januar 2017
Tag 1-4: Woher kamen nur all die Wellen? Scheinbar aus allen Richtungen. Sie ließen unser Bötchen schaukeln und machten das Bordleben extrem unkomfortabel. Anziehen, kochen, zähneputzen glichen Akrobatenübungen, selbst beim Schlafen kullerten wir hin und her. Dabei war gar nicht so viel Wind, so dass der Käpt´n den Spi setze. Doch durch das Geigen kam offensichtlich zuviel Druck in unser neues Apfelsegel, dass es plötzlich ganz schlaff hing und wir einen riesigen Riss im Tuch registrierten. Aber  geistesgegenwärtig rafften wir wie die Affen das hängende Tuch  zusammen, zogen es aus dem Wasser an Deck und stopften es erst einmal ins Bad zum Abtropfen. Ziemlich traurig starrten wir auf den Horizont - und wie zum Trost erschien ganz viele Delfine und machten uns wieder fröhlich.
Tag 5-8: Nach 5 Tagen zeigte sich zum ersten Mal die Sonne, dann tauchte ein weißes Frachtschiff hinter uns am Horizont auf und überholte uns. Am 7. Tag, kurz bevor wir Bergfest nach Meile feiern konnten, schwebte ein Tropicvogel mit seinem langen weißen Schwanz um unseren Mast! Am 8. Tag erlebten wir endlich mal einen wunderbaren Sonnenuntergang - da spendierte der Käpt´n sogar einen Sundowner!
Tag 9-14: Am nächsten Morgen ging die Sonne strahlend auf und endlich begann das richtig schöne Passatsegeln! Mehl mahlen, Vollkornbrot und Kuchen backen, lesen, basteln, ausschlafen, Horizontgucken, Sternezählen... Blauwassersegeln pur! Als der Wind mal eine Pause machte, sprangen wir ins samtige Wasser - 4500 m unter uns!
Tag 15-16: Wieder tauchten Delphine auf, schwammen eine Stunde vor unserem Bug - wir nahmen es als Begrüßungskomitee so kurz vor dem Ziel, freuten uns. Doch die Freude war zu früh... plötzlich kamen die Wellen  wieder von allen Seiten, sie kreuzten sich, türmten sich auf und ließen unser Boot wie einen Tischtennisball auf und nieder schaukeln. Das einzig Faszenierende waren die Flugkünste eines Tölpels, der über den Wellen schwebte und deren Aufwind für seinen Gleitflug nutzte. Oder hoch nach oben stieg, um sich dann auf die von unserem Boot aufgescheuchten fliegenden Fische zu stürzen. Dann ging die Sonne unter und vor uns glitzerten die ersten Lichter am Horizont: Barbados.
Aber erst als wir nach Mitternacht in den Wellenschatten der Insel eintauchten, fielen wir uns froh in die Arme.  Hurra! Wir hatten die Transatlantik-Überfahrt geschafft!