Im Blau-grün-weißen Land


 

Banjul, 22.12.2009

 

Sail fast (segle schnell)….

Schon vor Wochen hat der Käpt´n unser Ankunftsdatum in Banjul für den 22. Dezember festgelegt. Und tatsächlich landeten wir pünktlich! Der Passat hat uns zuverlässig vorwärts gebracht, auch wenn es ein Am-Wind-Kurs war. Das heißt, der Wind und die Wellen kamen von schräg vorn und das bedeutete mal wieder eine recht hackige Überfahrt. Vor allem in den ersten Nachthälften nahm der Wind zu und Geschwindigkeiten bis 8 Knoten (fast 15 km/h) ließen uns gut Strecke machen.

Als wir uns der Küste näherten, erinnerte uns alles an die Ansteuerung von Stralsund zwischen Hiddensee und Rügen. Das Wasser war grünlich, die Wellen wie auf der Ostsee, die Tiefe lag bei 6-10 Metern, der Wind war kühl, so dass wir in Pullovern saßen. Die Küste flach, nur ein grüner Baumstreifen war zu sehen. Die grünen Fahrwassertonnen waren mit Möwen besetzt und weiß besprenkelt. Genauso wie vor Schaprode! Doch als wir näher kamen, sahen wir statt Eichen Palmen, statt Fischkuttern bunte Piroggen, statt lautloser Ruhe eifriges Menschengewimmle. Wir waren tatsächlich in Afrika! Übervolle Piroggen und Flussfähren auf dem Weg zum anderen Ufer. Arbeiter, die wie Ameisen einen Frachter mit Reis-Säcken ausluden. Wie kleine Piloten umflatterten uns Schmetterlinge, um uns dem Weg in den Fluss zu zeigen und ein riesiger silbriger Pelikan schwebte an uns vorbei.

 

…live slow (lebe langsam)

Das von Seglern angestrebte langsame Leben (im Gegensatz zum schnellen Segeln) schaltet hier noch mal paar Gänge runter. Nachdem wir einen Ankerplatz zwischen halb versunkenen Schiffswracks gefunden hatten, bauten wir das Schlauchboot auf und ließen es zu Wasser. Martin brachte den Käpt´n an Land. Und dann hieß es warten… nach Stunden meldete sich Friedrich über Funk, dass die Polizei das Boot besichtigen möchte. Also spielte Martin Fährmann, musste aber im schattenlosen Hafen zurück bleiben, damit der Polizist bequem transportiert werden konnte. Als erstes ließ  sich dieser alle Küchenschränke zeigen, inspizierte unseren Gemüsevorrat und freute sich wie ein Kind, dass wir tatsächlich Couscous dabei hatten. Die anderen Kammern ließ er sich interessiert zeigen und fand alles „lovely“. Dann ließ er sich freundlich lächelnd im Cockpit nieder – Smaltalk war angesagt. Etwas hilflos dachten wir darüber nach, was weiter sein Begehr sein könnte. Endlich, als wir auf seine Kinder zu sprechen kamen, klickte es und Claudia packte fix einen kleinen Nikolaus-Beutel mit Bonbons, Lollys und Kaugummis. Und siehe da, sein Besuch neigte sich dem Ende! Ende war aber in der Behörde noch lange nicht. Friedrichs Geduld wurde in der schweißtreibenden Hitze auf harte Proben gestellt. Denn nicht nur diverse Kopien, auch Geld für die Pass-Stempelei musste zwischendurch aufgetrieben werden, verbunden mit Suche nach Kopie-Shop in den Gassen von Banjul, Taxifahrt zur Bank. Dazu herrschte ein komplettes Chaos von Polizisten und Papieren in dem Zwei-Zimmer- Büro der Immigrationsbehörde. Die Sonne neigte sich schon dem Untergang, als Friedrich endlich mit den gestempelten Pässen an Bord zurück war. Doch er hatte erst eine Behörde hinter sich. Zoll, Hafenauthority und Gesundheitsamt lagen noch vor ihm.  

 

 

Banjul. 23.12.2009

 

No drugs, no animals, no guns

Um es kurz zu machen, Friedrich schaffte am Vormittag alle übrigen Formalitäten. Nachdem er gegenüber dem Zoll erklären musste, das wir keine Drogen, keine Tiere und keine Gewehre an Bord hätten und darüber hinaus auch alle gesund wären, ließ man ihn zur Hafenbehörde weiterziehen. Dort erhielt er die Genehmigung für unsere Befahrung des Gambia Rivers bis zum 10. Januar. Außerdem schaffte er es, einen Kasten Bier aufzutreiben, frisches Brot, Prepaidkarten für´s Handy und halb Banjul kennen zu lernen. Er hatte das Glück, einen Begleiter an seiner Seite zu haben. Ibrahim führte ihn nicht nur durch alle Behörden, sondern feilschte bei den Einkäufen um jeden Dalasi (1 Euro sind 38 Dalasi)

 

Die Handbreit Wasser unterm Kiel

Hundertfach gewünscht und doch fehlte sie. Da war nicht mehr ein Fingerleinbreit. Das Tiefenmessgerät zeigte uns 1,5 Meter, wo wir doch schon einen 1,85 tiefen Kiel haben. Tief steckten wir im Mud des Gambia Rivers. Dabei wollten wir nur mal eben den Ankerplatz wechseln um den Hafengeräuschen zu entkommen und in mitten von Mangroven im Oyster Creek zu nächtigen. Doch wir hatten zwei Karten – und hatten uns prompt auf die Falsche gestützt. Als gar nichts mehr ging, wechselte der Käpt´n das Boot und rauschte per Dinghi zwischen Mangroven davon. Seine Mannschaft harrte der Dinge, versuchte nochmalige Befreiungsmanöver, da die Tide gekippt war und der Wasserstand drohte, noch geringer zu werden. Schließlich tauchte er in Begleitung eines französischen Seglers auf, der genau an der gleichen Stelle gescheitert war, uns nun seine Hilfe anbot und uns in den Flussarm lotsen wollte. Wir brachten weit entfernt einen Anker aus, verbanden ihn mit einem Fall an der Spitze des Mastes und zogen per Winsch das ganze Boot schräg, um den Kiel ein wenig anzuheben. Volle Kraft voraus – nix. Wie durch ein Wunder kam ein Angelboot mit zwei Engländern, die dann zusätzlich mit 50 PS am Bug zogen. Und dann schafften wir es, Zentimeter für Zentimeter aus dem Schlick zu kommen und endlich wieder die Handbreit Wasser unterm Kiel zu haben. Und dann ging es mit der richtigen Karte in den schmalen Flussarm. Mangroven zu beiden Seiten, die Wurzeln mit Austermuscheln bedeckt. Fremdartige Vögel schwebten über die grüne Landschaft, ein Reiher stand im Schlick. Langsam tasteten wir uns durch die Mäander des Flusses und kamen dann wohlbehalten im Oyster Creek an.

Ein kühles Bier, Bauernfrühstück mit sauren Gurken (noch aus Heimat-Beständen), roter Sonnenuntergang, fremde Geräusche des nahen Mangrovenwaldes und ein erleichtertes Gefühl - wir hatten es geschafft! Zu Weihnachten in Afrika!

Oyster Creek, 24.12.2009

 

Heilige Nacht

Als große Weihnachtsüberraschung für uns hatten wir die Stadtbesichtigung von Banjul geplant, für den Abend hatten sich die Bordmänner nach Berliner Weihnachts-Tradition Kartoffelsalat mit Würstchen gewünscht. Doch zunächst waren wir am Vormittag mit Ibrahim, Friedrichs Begleiter verabredet. Unter heißer afrikanischer Sonne bummelten wir mir ihm durch die Stadt mit ihren bunten Märkten, mit der gelassenen Geschäftigkeit am Strand, wo Duzende bunter Pirogen anlandeten, um Fisch für Märkte und die offenen Räuchereien am Strand zu liefern. Wir liefen am Präsidentenpalast und den Ministerien, am modernen Hospital vorbei. In einem kleinen Straßenlokal aßen wir Yassa, gegrilltes Hühnchen mit Zwiebel-Lemonen-Soße. Das Banjuler Leben lief an diesem Tag genauso ab, wie wohl an jedem anderen, denn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gehört dem islamischen Glauben an. Die Geburt Christi ist nur für eine Minderheit ein Grund zur Feier. Geschafft kamen wir in der Abenddämmerung am Oyster Creek an und ließen uns in Baba´s Bar nieder, ein kühles Julbrew aus der Banjuler Brauerei zischte durch unsere ausgedörrten Kehlen und dazu wippten wir den Rhythmus der Regae-Musik. Kinder, Hühner, Hunde tobten im roten Dorfsand und als Baba die Musik des gambianischen Superstars abspielte, tanzte Fatima, Besitzerin eines kleinen Textilladens, in ihrem wunderschönen farbig bedruckten Kleid rhythmisch mit. Kartoffelsalat und Würstchen waren vergessen!

Später an Bord zurück, ließen wir unseren Mini-Schwibbogen erstrahlen, sangen Weihnachtslieder und leerten das letzte Säckchen unseres Adventkalenders, den uns unsere Edener Freundinnen so liebevoll gepackt hatten. Um uns herum huben die nächtlichen Geräusche der Mangrovenlandschaft an – Zirpen der Grillen, Schreie der Nachtvögel, Plätschern der Wellen in den Wurzeln. Lautlos glitt eine Piroge unter dem leuchtenden Mond vorbei, nur vom rhythmischen Gesang der Insassen begleitet: Fischer auf dem Weg in den Creek.

Was für ein Weihnachtsabend!

 

Oyster Creek, 27.12.2009

 

Ganz traditionell

Am ersten Weihnachtsfeiertag machten wir uns unter Führung von Ibrahim in Richtung Atlantik-Küste auf. Mit einem Bushtaxi, in dem wir mit weiteren 21 Passagieren nebst Fahrer und Kassierer  gepfercht waren, fuhren wir entlang belebter Straßen mit kleinen Verkaufsständen, Geschäften, Werkstätten. Offensichtlich durch mehrere Orte - eine Stadtgrenze war für uns nicht ersichtlich. Überall herrschte reges Treiben und schließlich hieß uns Ibrahim aussteigen. Mit einem anderen Taxi fuhren wir weiter durch besiedeltes Gebiet mit Sandwegen und Wellblechzäunen. Schließlich landeten wir im Crocodil-Park. Wir liefen durch dickes Unterholz, an riesigen Baobab- und Elefantenbäumen vorbei und plötzlich lag vor uns ein grüner Teich. Fast wären wir über einen Krokodilschwanz gestolpert, hätte uns nicht ein Ranger auf die sich sonnenden Reptilien aufmerksam gemacht. Ehrfurchtsvoll starrten wir auf die Krokos, bis der Ranger uns heranwinkte und meinte, wir könnten ruhig mal eines anfassen. Martin erstarrte – und suchte dann das Weite. Friedrich war schon mutiger, Claudia folgte ihm. Schließlich hatten die Kroks schon ihr Frühstück in Form von 150 kg Fisch bekommen und verschmähten weiße Touries. Weiße Touries – besser gesagt, rot verbrannte - sahen wir dann ausgiebig am Atlantikstrand. Wir wollten Martin eine Freude machen und die Hotels besichtigen (nach mittlerweile sechs Wochen an Bord beherrschten seine Träume Mengen von kühlem Bier und warmen Duschwasser). Wir liefen auf feinem weißen Sand in glühender Hitze entlang an den in der Sonne schmorenden Körpern englischer Urlauber und unser Bootsjunge wurde immer missmutiger. Ibrahims Angabe, dass es nicht mehr weit zum Taxi sei, stand im Gegensatz zu Martins Auffassung. Bei letzterem sind 500 Meter mehr als weit, bei unserem afrikanischen Freund fünf Kilometer ein kurzer Fußweg. Dazu kam, dass in einem islamischen Land die Bierstände nicht allzu gesät sind… Claudia und Friedrich jedenfalls waren über diese kilometerlange  Weihnachtswanderung froh, schließlich gehört sie mittlerweile seit Jahren zu ihrer Tradition, auch wenn es bisher eher durch Schnee ging. Auf unserer Rückfahrt ließ Ibrahim das Taxi stoppen – am Straßenrand zelebrierten gambianische Christen Weihnachten – unter temperamentvollen Rhythmen, die Frauen mit großen Nägeln auf Eisenplatten schlugen, tanzte ein Kumpo (eine mit Palmenblättern kostümierte Figur) einen traditionellen Tanz. Und die Tradition ging weiter, als Claudia am Abend ein Weihnachtsmenü servierte: Hühnchen (statt Ente) mit Kartoffeln, Rotkohl, grünen Bohnen sowie Rote Grütze als Nachtisch. Dazu hatten wir unsere französischen Ankernachbarn eingeladen und wir verbrachten einen wunderbaren Abend.

 

Ganz afrikanisch

Schüchtern hatte uns Ibrahim für den zweiten Weihnachtstag zu seiner Familie eingeladen. Um drei Uhr saßen wir pünktlich in Babas Bar und warteten. Baba versuchte uns klarzumachen, dass in Afrika die Zeit relativ sei und eine Verabredung ebenso… Als wir nach eineinhalb Stunden aufgeben wollten, tauchte Ibrahim auf und nahm uns auf eine nicht enden wollende Fahrt zu sich nach Hause mit. Endlich hielt das Taxi in einem Wohnviertel mit einfachsten Behausungen. Wir wurden von den Familienmitgliedern begrüßt und in das einzige Zimmer geführt. Reis und eine scharfe dicke Soße aus Gemüse, Fisch und Fleisch standen für uns bereit: ein Festessen für „unser“ Weihnachtsfest! Ibrahims moslemische Familie wollte uns eine Freude machen, da wir so weit von unserer eigenen weg seien! Es war ein Festessen, das hier sicher nicht sehr oft auf den Tisch kommt. In dem Viertel gibt es kein fließendes Wasser, Strom können sich nur einige wenige leisten. Als wir aufbrachen, wurden wir herzlich verabschiedet, als wenn wir schon immer dazu gehörten. In der Dämmerung, auf dem Weg zur Hauptstraße liefen wir an Höfen vorbei, in denen ein Kochfeuer brannte, vorbei an Häusern, nur mit einer Kerze beleuchtet. Wir hörten Trommeln und ihnen folgend, standen wir vor einer „Arena“ für afrikanische Wrestling-Kämpfe. In dem notdürftig beleuchteten Areal standen sich je zwei Kämpfer ineinander verhakt gegenüber, die sich gegenseitig auf den Boden zwingen wollten. Witzig war, dass Zuschauer auf die Kampffläche stürzten, um den Schiedsrichter wegzuzerren, wenn er ihre Sicht behinderte. Dieser ließ dann Kampf Kampf sein und kümmerte sich erst mal um das aufsässige Publikum, derweil die Kämpfer fair weitermachten. Auch für uns hieß es weitermachen, wir wollten schließlich noch Gambia´s Highlight des Jahres erleben (nur Martin nicht, der wollte lieber ins Bett). So fuhren wir mit Ibrahim, verstärkt durch Baba und seinen Freund zum einzigen Stadion Gambias, drängten uns gegen Mitternacht mit hunderten anderen in die Arena und ließen uns von der Begeisterung anstecken. Wir erlebten das allererste Live-Konzert des jamaikanischen Regae-Musikers Lousiano auf afrikanischen Boden mit. Erst morgens um halb sechs brachten uns die Jungs zu unserem Dinghi zurück und an Bord sangen wir Martin ein „Aufweck-Lied“.

 

 

Oyster Creek, 31.12.2009

 

Auf die Bäume, ihr Affen…

… und wirklich war der Wald im Bijilo Forest Park gefegt. Alle Wege waren von Laub befreit und die Spuren der Palmenbesen am Nachmittag noch zu sehen. Nur wenige der Strandtouristen finden den Weg hierher. Dabei ist er sehr lohnenswert. Die Galeriewälder (unten Busch, darüber Laubbäume und dazwischen erheben sich die noch höheren Palmen) sind Lebensraum für unzählige Vogelarten, aber auch für Affen. Die turnten auf den gefegten Wegen umher und klauten uns Erdnüsse aus der Hand.

An einer der Palmen entdeckte Ibrahim Früchte und kraftvoll kletterte er unter unserem ungläubigen Staunen den glatten Stamm Meter um Meter nach oben. Als Trophäe brachte er ein Büschel grüner Früchte mit nach unten, deren geleeartigen Inhalt wir später auslöffelten.

 

Zum Heulen schön

Wieder hatten wir uns mit Ibrahim verabredet. Es war sehr hilfreich, dass er uns durch den Dschungel von Mini-Bussen, Bush-Taxis zum gewünschten Ort brachte - es gibt hier keine Orts-, Hinweis- oder Straßenschilder, kein öffentliches Verkehrsnetz. Auch achtete er darauf, dass wir den richtigen Tarif zahlten und nicht den „Weißen-Zuschlag“. Er feilschte für uns um alle Preise, die hier immer eine Verhandlungssache sind. Und so fuhren wir gemeinsam nach Banjul auf den Markt. Friedrichs lang gehegter Wunsch, sich in Afrika eine Trommel zu kaufen, sollte endlich in Erfüllung gehen. Eine schöner als die andere – an den kleinen Ständen werden die Trommeln nicht nur verkauft, sondern hergestellt. So auch alle Holzschnitzereien. Da sitzen die Handwerker auf dem Boden und zaubern aus einem Mahagoni- oder Teakholzstück Masken, Tiere, Schalen, Skulpturen. Die Handarbeiten sind so wunderschön und doch treiben sie uns beim Nennen des Preises Tränen in die Augen… Die Schnitzer haben so wenige Kunden, dass sie eins ihrer Kunstwerke, an dem sie viele Stunden gearbeitet haben, für den Wert eines Tellers Reis mit etwas Soße abgeben. Als Friedrich daher gar nicht so sehr um den Preis seiner Trommel handelte, wurde er gar vom Verkäufer gedrängt, weil doch Handeln zur afrikanischen Kultur gehöre. Schließlich überließ der Verkäufer Friedrich die Trommel zum „Lokal-Preis“, der viel niedriger lag as der „Touristen-Preis“. Ibrahim war zufrieden. Mit riesigen Freudenschreien wurden wir dann am Oyster Creek begrüßt. Sofort wurde die Trommel von Baba und seinen Freunden begutachtet und für professionell befunden, sofort fand sich ein Spieler und alles wippte, tanzte oder suchte sich etwas, um den Takt mitzuschlagen.

 

Silvester

Vor dem Vergnügen kommt die Arbeit. Und so transportierten Käpt´n und Bootsjung Wasser und Diesel zum Ankerplatz, besorgten Bier und Gemüse. Während dessen kämpfte die Kapitana mit einem großen Wäscheberg, machte Klarschiff und kochte 5 Kilo Reis und einen großen Wok Gemüsesoße.

Mit den größten Bord-Töpfen ging es an Land und wir wurden gebührend empfangen. Wir konnten gar nicht so schnell zusehen, wie der Berg Reis kleiner wurde – schon zu lange hatten die meisten der Männer, die kaum Arbeit finden, ausreichend zu essen gehabt. Unsere amerikanischen Ankernachbarn steuerten Melone und Käse dazu, dann griff der Trommler Friedrich´s Neuanschaffung.  Martin kümmerte sich um das Feuer… ein wunderbarer Silvesterabend am Ufer des Oyster Creek.

 

 

James Island, 01.01.2010

 

Gambia River

Nur wenige Stunden Schlaf gönnte uns der Käpt´n. schließlich sollte das neue Jahr mit einem neuen Abenteuer anfangen. Damit es aber nicht gleich gar zu abenteuerlich wurde, schmiss er die Besatzung vor dem Tiden-Hochwasser gegen 7.30 Uhr aus dem Bett, um die etwas schwierige Passage zurück zum Gambia River diesmal mit der Handbreit Wasser unterm Kiel zu schaffen. Und dann nahmen wir den Weg flussaufwärts.

Unser Ziel: Georgetown, ungefähr 300 km im Landesinneren.

 

 

Georgetown, 04.01.2010

 

Flussabenteuer

Nach vier anstrengenden, aber äußerst interessanten Tagen waren wir an unserm Ziel angekommen.

Unterwegs haben wir eine sich ständig verändernde Flora erlebt: Mangrovenlandschaft wurde von Mangrovenwäldern abgelöst, später zogen Schilfland, palmenbesäumte Ufer vorbei, Reisfelder wurden von Urwäldern abgelöst. Uns begegneten Pelikane, Delphine, Krokodile, verschiedendste Vögel, Flusspferde und Affen. Wir besuchten Jufureh, das Dorf von Kunta Kinte, bekannt aus dem Roman „Roots“ von Alex Haley und James Island, eine Insel, von der Tausende von Sklaven in Richtung Europa und Amerika verschifft wurden. Wir passierten kleine Dörfer mit runden schilfgedeckten Hütten und wundersamen Namen, wie Bitang Bolong, Bambali oder Kau-Ur. Wir trafen immer wieder Fischer in ihren winzigen Einbäumen. Mit geflochtenen Bambuspaddeln glitten sie geräuschlos vorüber und wir entdeckten neben ihren Netzen Feuerschalen, auf denen sie Tee kochten. Überall wurde uns fröhlich zugewinkt. Wir beobachteten das Treiben an den Fährstationen des Trans Gambia-Highways. Nur 20 km breit ist Gambia an dieser Stelle und entsprechend ist der senegalesische Durchgangsverkehr. Busse, Lastkraftwagen, Buschtaxis und Hunderte von Menschen strömten auf die Flussfähre, die fast unter zu gehen drohte. Später stoppten wir an den einzigen Erhebungen Gambias - rote Hügel, kaum höher als der Edener Rodelberg und hatten von oben eine grandiose Sicht über die grüne Flusslandschaft und die dahinter liegende Savanne. Dann erreichten wir den Gambia River Nationalpark, zweifelsohne das Highlight der Flussfahrt. An dieser Insellandschaft mit ihren Urwäldern machten wir den seit Tagen hämmernden Motor aus und ließen uns in der Strömung treiben, genossen die Stille und die Geräusche des Waldes – exotische Vogelschreie, die von Affensprüngen krachenden Äste, das Schnaufen der Hippos.

 

Mitten in Afrika

Auch wenn wir 300 km ins Landesinnere vorgestoßen waren und damit drei Viertel von Gambia hinter uns gelassen hatten – auf der Afrika-Karte war es nur ein klitzekleines Stück. Dennoch fühlten wir uns mittendrin. Als wir Georgetown oder - wie die Einheimischen es nennen – Jangjang Bureh erreichten, wurden wir überschwänglich von einem Haufen Jugendlicher begrüßt, die uns sofort durch die Hauptstraße führten, Kinderscharen rannten neben uns und alle mussten uns unbedingt mal anfassen. Anfassen und Händeschütteln gehört einfach zum Straßenleben, genauso wie die zahllosen Kinder - fast 50 % der 1,6 Millionen Gambianer sind unter 15 Jahre alt. Die Hauptstraße wurde gesäumt von Wellblechzäunen, kleinen Hütten mit Läden, Bars, Werkstätten, dem überdachten Markt. Ziegen knabberten im Straßenmüll und dann führten uns unsere Begleiter zum Internetbüro. Doch der Strom war bis 18 Uhr abgestellt. Aber der Leiter zeigte uns stolz seine Räumlichkeiten, in denen junge Menschen eine Ausbildung erhalten – am Computer, an Nähmaschinen, in der Küche und im kleinen Garten. Fragend schaute er Claudia an, die beim Anblick von Eisbergsalat und Kapuzinerkresse in Begeisterung verfiel –  er hatte das Saatgut geschenkt bekommen und nun wusste keiner, wie die Pflanzen zu nutzen sind. Geduldig erklärte Claudia den Gebrauch und versprach für den nächsten Tag eine schriftliche Beschreibung in Englisch. Dann schlenderten wir über staubige Wege durch die Wohnviertel, immer mit unseren treuen Begleitern um uns herum, die sichtlich um unser Wohlergehen bemüht waren. Und jetzt begriffen wir auch endlich den Satz in einem unserer Reiseführer, dass es in Afrika kein Privatleben gäbe. Selbst wenn Claudia versuchte, mal zurück zubleiben um etwas Interessantes zu betrachten, blieben mindestens drei bei ihr, um auch alles genau zu erklären. So ließen es sich die Jungs auch nicht nehmen, uns bis zum Schlauchboot zu begleiten und anzukündigen, dass sie am nächsten Tag wieder da sein wollten.

 

 

Georgetown, 05.01.2010

 

Zwischen Internet, Sklavenhäusern und prähistorischen Steinkreisen

Am Morgen standen die Jungs tatsächlich schon am Ufer und warteten auf uns. Das Internetbüro hatte Strom und wir konnten unsere Mails mit den neusten Winterfotos aus Eden abrufen – und auch die versprochene Kräuterbeschreibung übergeben. In sengender Mittagshitze setzten wir über den Fluss und liefen durch die trockene Savanne zu einem der in Gambia häufiger vorkommenden Steinkreise, die Ureinwohner hier errichtet hatten. Auf dem Rückweg kehrten wir in einer Lodge ein, die von einem Deutschen betrieben wird. In kleinen runden strohgedeckten Hütten können Urlauber nächtigen. Allerdings stand gerade alles leer und so konnten wir in alle Hütten einen Blick werfen. Der Lodge-Kapitän, sonst mit Touristen zum Nationalpark unterwegs, brachte uns samt allen unseren Begleitern zurück auf die andere Uferseite, wo wir an den Ruinen der Hallen der Sklavenhändler vorbei liefen, vor denen Frauen am Boden kauernd, Bananen und Erdnüsse anboten. Mit den Adressen der Jungs in der Hand und dem abgegebenen Versprechen, eine Mail mit den gemachten Fotos zu senden, stiegen wir in unser Schlauchboot und paddelten unter fröhlichem Winken an Bord zurück. Wir zogen den Anker und traten unsere Rückreise an.

 

 

Oyster Creek, 08.01.2010

 

Seltenes Glück

Wieder lagen vier interessante Tage hinter uns – unsere Fahrt wieder flussabwärts wartete mit einigen Überraschungen auf. Die erste erlebten wir schon einige Meilen nach Georgetown. Am späten Nachmittag passierten wir wieder den Gambia River Nationalpark, als laute Schreie aus dem Urwald drangen. Und plötzlich sahen wir sie – Schimpansen tobten auf den Büschen am Ufer herum. Die Schimpansen, die neben anderen wildlebenden Affen auf Baboon Island vorkommen, wurden einst hier ausgewildert, nachdem man sie illegalen Wildjägern abgenommen hatte. Hier scheinen sie sich wohl zu fühlen, aber wie es bei Wildtieren so ist, kaum zu zeigen. Wir hatten das seltene Glück, sie zu sehen, denn in allen Reisebeschreibungen über Gambia lasen wir, dass sie kaum ein Besucher beobachten konnte.

 

Seltene Gäste

Nicht oft kommen Gäste in die Dörfer am Gambia River. Auch wenn es vereinzelt Reisende gibt, die auf dem Landweg zum Nationalpark unterwegs sind – auf unserer gesamten Fahrt auf dem River haben wir nicht ein Passagierboot oder andere Segler getroffen. Und so war es wohl kaum verwunderlich, dass alle Kinder, die neben ihren Wäsche waschenden Müttern am Flussufer von Kantaur tobten, auf unser Schlauchboot stürzten, um uns zu begrüßen. „Hallo, how are you? What´s your name?“ Dutzende kleiner Händchen strecken sich entgegen und alle mussten wir schütteln, immer wieder unsere Namen sagen, die der Kinder wiederholen und natürlich die Gegenfrage stellen: „And how are you?“ (Und wie geht es dir?). Wie immer und von jedem in Gambia kommt die fröhliche, mit leuchtenden Augen verkündete Antwort: „I´m fine“ (Mir geht es gut). Die Kinderschar, sämtlich in ärmlicher, zerrissener Kleidung - nur wenige mit Gummilatschen bekleidet – ließ nicht locker. Die kleinen Mädchen kuschelten sich an Claudia und stritten sich, wer sie beim Gehen anfassen darf. Schließlich einigten sie sich und jedes hielt einen ihrer Finger fest. Mit den zehn Kindern im Schlepptau – Friedrich hatte nicht weniger, zogen wir durch das staubige Dorf, während Martin wieder an Bord zurück paddelte. Da Wandern bekanntermaßen nicht zu seinen Leidenschaften zählt, ließ er uns die Acht-Kilometer-Tour alleine bestreiten. Unser Ziel waren die Stone Circles (Steinkreise) im Nachbardorf Wassu. Bis zum Dorfende begleiteten uns die Knirpse, dann erstritten sich drei Neunjährige unsere Hände und gingen mit uns den Weg nach Wassu.

Vorbei an Reisfeldern, in denen Frauen gebückt die Ähren pflückten, an überfluteten Flächen in denen Seerosen blühten und weiße Vögel nach Nahrung suchten. Vorbei an Gärten, die an einem Nebenfluss grünten, vorbei an trocken gebrannter Savanne, über die sich die uralten riesigen Äste der Baobab-Bäume erhoben. Vorbei an Häusern, aus Lehm und Schilf gebaut, umgeben mit Zäunen aus Reisstroh oder bizarren Ästen. Vorbei an Ziegen, Eselkarren und einem Ochsengespann, dass sich beladen mit Säcken mit Reis und Erdnüssen von den Feldern durch den staubigen Sand zum Lagerplatz quälte. Schließlich erreichen wir die Steinkreise, die wie ihre Pendants in Stonehenge oder auf den Orkney´s zum Weltkulturerbe gehören. Ein kleines Museum zeigte, dass die tonnenschweren Steinsäulen um menschliche Gräber errichtet wurden. Der Museumsführer, ein alter Mann namens Stoneman begrüßt uns in perfektem Deutsch – zwölf Jahre hatte er als junger Mann in Hannover gelebt. Die kleinen Jungen hatten unter einem schattigen Baum auf uns gewartet und liefen nun wieder den weiten Weg in glühender Mittagssonne mit uns zurück. Dabei unterhielten sie sich über Fußball, nannten uns Namen wie Ballack und Lehmann (deutsche Fußballspieler!) und erzählten, dass sie keinen Fußball zum Spielen hätten. Friedrich erkundigte sich, ob es im Dorf einen zu kaufen gäbe – und siehe da, sie führten uns in einen der klitzekleinen Tante-Emma-Läden und dort lag ein Fußball gleich neben dem Stapel Brot… sie hatten sich ihn wirklich verdient. Martin holte uns vom Ufer ab und eine begeisterte Kinderschar winkte uns zum Abschied. Als wir den Anker lichteten, standen sie alle da und riefen gemeinsam ein Wort, wieder und wieder. Es dauerte ein bisschen bis wir es verstanden: „Cla-udia, Cla-udia…“

 

Kostbarer Fang

Kurz vor Sonnenuntergang sahen wir sie das erste Mal in voller Größe: Hippos. Was zuerst wie Steine aussah, entpuppte sich als Flusspferd-Gruppe, deren mächtigen Körper aus dem Wasser schauten. Gigantisch. Wir beschlossen, den Anker in entsprechendem Abstand zu werfen und die Nacht hier zu verbringen. Ein Krokodil schwamm auch noch vorbei und am Abend hörten wir die lauten Geräusche der Hippos. Mit der Freude auf den nächsten Morgen krochen wir in unsere Kojen. Mitten in der Nacht weckte uns ein Rappeln an der Ankerkette – alle drei standen wir sofort auf dem Deck. Laute Stimmen, ein Einbaum und ein Netz an unserem Boot… Fischer hatten sich verfangen. Die Fischer nutzen die Tidenströme, die selbst noch nach 300 km Flussstrecke stark spürbar sind, um zunächst in eine Richtung und mit kippendem Strom wieder zurück zu treiben. Dabei lassen sie ihre großen Netze mit treiben. Und offensichtlich hatten unsere Fischer die langweilige Zeit in der Nacht für ein Nickerchen genutzt und uns übersehen. Schnell bekamen sie aber ihre Netzte wieder frei und trieben weiter. Wir schliefen wieder ein, bis uns mehr als eine Stunde später Stimmen weckten… nicht schon wieder, dachten wir. Aber es sollten unsere beiden Fischer sein, die plötzlich mit einem zerrissenen Netz wedelten, ihren Einbaum mit kräftigen Knoten an unserem Boot festmachten. Eine Verständigung war nicht möglich – sie sprachen kein Englisch. Gute Worte, einige hundert Dalasi und Zigaretten nahmen sie nicht an. Hilflos hockten wir im nächtlichen Cockpit, die beiden Fischer neben uns sprachlos in ihren Einbaum. Nur ab und an nahm der ältere sein Handy und führte Telefonate. Nicht das uns das verwundert hätte – jeder Gambianer hat ein Handy, selbst in der entlegendsten Flusslandschaft ist der Empfang gesichert und das Telefonieren kostet fast gar nichts. Das brachte uns dann endlich auf die Idee, im Morgengrauen bei unseren Freunden in Banjul anzurufen. Wir erreichten Baba und baten um Übersetzung vom Wolof der Fischer zu unserem Englisch. Nach einigem Hin und Her  einigten wir uns auf einen stattlichen Geldbetrag und die Fischer knoteten endlich ihren Einbaum ab. Mit uns hatten sie wirklich einen kostbaren Fang gemacht… uns war dadurch aber das Frühstück mit den Hippos entgangen. Dafür lagen ein paar Meilen weiter prächtige Krokodile auf Mangrovenlichtungen in der Mittagssonne. Und die nächtliche Aktion war schon fast vergessen und wir winkten allen Fischern wieder fröhlich zu.

 

Empfang im Oyster Creek

Der Fluss wurde wieder breiter und breiter, schwoll zu einem Strom an, dessen Ufer kaum noch zu erkennen waren. Das Süßwasser vermischte sich wieder mit dem Salzwasser des Atlantiks und plötzlich waren da wieder Delfine und Pelikane. Diesmal ohne Grundberührung hangelten wir uns durch den Nebenarm zum Oyster Creek, ankerten an alter Stelle und fuhren mit dem Schlauchboot auf ein Ankommer-Bier zu Baba´s Bar. Was für ein Wiedersehenstaumel! Die Fischer, Holzverkäufer, Fatima aus dem Textilkiosk, alle begrüßten uns mit Umarmungen – als seien wir von einer Weltumseglung zurück. Sie freuten sich mit uns, dass wir alle Tierarten des Flusses zu Gesicht bekommen hatten. Auch Ibrahim wurde sofort angerufen, damit er uns in die Arme schließen konnte. Und Baba meinte, dass er nun nach unserer Rückkehr wieder gut schlafen könne! Wir werden jetzt noch ein paar Tage im Oyster Creek bleiben und hoffen, dass wir diese Tage mit Susi und Tom von der AORAI verbringen können - sie sind gerade auf dem Weg zum Oyster Creek!

Oyster Creek, 14.01.2010

Auf nach Westen
Interessante und aufregende Tage liegen hinter uns. Zusammen mit Susi und Tom waren wir zu Baba´s Familie eingeladen, wir sind bis in den südlichen zipfel Gambias gefahren und haben einen Blick nach Senegal geworfen. Wir haben Palmwein gekostet und Kokosnüsse geerntet. Höchepunkt war unser Ausflug mit einer der bunten Pirogen, zu der wir die familien von Ibrahim und Baba eingeladen hatten. Wir hatten kuchen gebacken und Melonen gekauft, die frauen steiuerten Reis mit Hühnchenyassa dazu. Trommler begleiteten uns und die Kinder hatten Spaß und tanzten mit - ein wundervoller Tag.
Inzwischen haben wir kiloweise Kartoffeln, Möhren, Kokosnüsse, Obst gebunkert. Morgen wollen wir zurück nach Banjul und uns bei den Behörden abmelden. Übermorgen wollen wir Richtung Westen starten. 1700 Seemeilen liegen vor uns - und die Äquatoerüberquerung! Wir melden uns dann aus Brasilien.