Bahamas und Florida



Freeport, 18.04.2011
 
Ausreise mit Umwegen
Gar nicht so einfach, Havanna an einem Staatsfeiertag zu verlassen! Damit kein weißes Segel die Großdemonstration auf dem Malecon stören könnte, mussten wir zunächst fünf Meilen im rechten Winkel vom Land wegsegeln, einige patrouillierende Kriegsschiffe passieren, bis wir dann auf unseren gewünschten Kurs Bahamas segeln durften. Bei tollem Segelwind und ohne Wellen das reinste Vergnügen! Als am anderen Tag der Wind schlafen ging, nutzten wir die große „Badewanne“ und planschten genüsslich im tiefblauen, angenehm warmen Meereswasser. Auch wenn wir scheinbar auf dem Wasser stillstanden, waren wir gut unterwegs: Mit Motor „Golfstrom“! Bis zu vier Knoten schob er uns über den Meeresgrund der Florida-Straße, als dann der Wind wiederkam, waren wir gar über neun Knoten schnell! Nachts beschien uns ein Vollmond, um uns herum fünf, sechs hellerleuchtete Kreuzfahrtschiffe, die aus Richtung Miami kamen, oder auf Schleichfahrt dorthin waren. Key West, Miami, Fort Lauderdale – für uns nicht erreichbar. Wir hatten kein US-Visum, das für Segler zwingend notwendig und bereits im Vorfeld zu besorgen ist. Da wir uns erst in der Karibik entschlossen hatten, unsere Route nach West zu erweitern und daher ohne Visum unterwegs waren, mussten wir an Floridas Küste vorbeisegeln. Am dritten Tag lag die größte der Bahama-Inseln vor uns. Flach, weiß,sandig.
 
Tote Hose
Kleine Kanäle führen neben Hotelanlagen in geschützte Lagunen, die mit zahllosen Marinas bestückt sind. Wir schlichen uns vorsichtig durch eine dieser flachen, sehr, sehr schmalen Einfahrten und waren platt: Gähnende Leere! Drei verlassene Segelboote, ein Hotel in beginnendem Verfall, ein weiteres ohne Gäste – that´s all. Ringsherum nichts, nur ein Offizieller, der in Person Emigration, Zoll, Gesundheitsamt repräsentierte und bei dem wir für diese Dienste gleich mal 330 Dollar abliefern durften, aber dafür eine Aufenthaltsgenehmigung für 30 Tage nebst Angelerlaubnis erhielten. Wieder an Bord, riss Claudia sofort den Laptop an sich, klappte ihn auf, fand ein Netz … und Cornelia war online. Friedrichs Nichte, die in der Nähe von Seatle lebt, freute sich und war erleichtert, dass wir gesund und munter sind – wir, dass es allen in der Familie gut ging. „Eure mehr als sechswöchige Abwesenheit hat allerdings die Familienbande gestärkt“, erzählte Cornelia. Untereinander wurde so oft wie sonst nie telefoniert, ob vielleicht der eine oder andere von uns gehört hätte. Der nächste Anruf galt Mama Elli, die uns von einkehrendem Frühling im Garten Eden erzählte und von der Abreise Friedrichs Tochter-Familie….. nach Florida!!! So nah und doch so fern, mit diesen Gedanken liefen wir durch das tot erscheinende Einfamilienhaus-Wohngebiet nahe der Marina, entdeckten tatsächlich einen kleinen Supermarkt mit Obst, Gemüse und Fleisch und während wir dann so in der absoluten Stille der Marina unseren Berg Koteletts (nach fleischlosen cubanischen Wochen hmmm… …) vertilgten, ratterten die Ideen: Vielleicht könnte Friedrichs Familie uns einfach besuchen? Aber mitten in dieser Einsamkeit?
 
Freeport, 20.04.2011
 
Einladung nach Florida
Friedrichs Schwiegersohn Ralf machte einen anderen Vorschlag. Wir sollten doch versuchen, nach Fort Lauderdale zu kommen und sie bei ihrer Rundfahrt mit einem Wohnmobil begleiten. Eigentlich absurd. Am nächsten Morgen: Das probeweise Anklicken des US-Formulars für die vereinfachte Einreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln war sofort von Erfolg gekrönt – beide erhielten wir per Internet die Einreisegenehmigung. Rasend schnell verging der Tag vor dem Laptop mit der Suche nach Fährverbindungen, nach einer günstigeren Marina hier auf Grand Bahama, mit Aktualisierung unserer Internetseite, Erledigung der E-Post. (Übrigens erhielten wir endlich Nachricht von der Geburt des kleinen Zahur - Ellen, die wir in Dominica besuchten, schrieb, dass er inzwischen schon sieben Wochen alt ist!) Und irgendwie fügte sich ein Mosaikstein zum anderen. Sollten wir tatsächlich bald Johanna, Hendrik, Uta und Ralf nach zwei Jahren wiedersehen?
 
 
Florida
 
Fort Lauderdale,  21.04.2011
 
Wir fahren nach Amerika…
Keine Fähre, nein ein kleines Kreuzfahrtschiff brachte uns in fünfeinhalb Stunden von Freeport nach Fort Lauderdale. Unterwegs stieg die Spannung…
Ein großes gelbes Schild „Willkommen Claudia und Opapa in Florida“ leuchtete uns im dunklen Hafen von Fort Lauderdale entgegen – dahinter Johanna, Uta und Ralf. Riesige Wiedersehensfreude! Irgendwie war es für alle noch unglaublich, dass wir uns tatsächlich gegenüberstanden. Und doch war es, als ob wir uns erst vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen hätten. Wir stiegen in das große Wohnmobil, mit dem die Vier schon ein paar Tage unterwegs waren. Dort fanden wir auch noch das  jüngste Familienmitglied vor, der schon seelig den Abenteuern des nächsten Tages entgegenträumte.
 
Little Duck Key, 22.04.2011
 
Hendriks Tagebuch:
„Wir waren bei den Alligatoren und sind Airboot gefahren.“
 
„Passt auf, wenn Ihr rausgeht“, warnte uns ganz aufgeregt Hendrik, „hier auf dem Campingplatz gibt es Krokodile und Schlangen, der Pool hat deshalb auch einen großen Zaun“. Vorsichtig lugten wir erst mal, bevor wir zum gemeinsamen Morgenplanschen hineinhüpften. Nach dem Familienfrühstück an einem der zahllosen Kanäle von Fort Lauderdale – immer mit Krokodil-Kontrollblick ans Ufer -bestiegen wir den Camper und los ging unsere Fahrt gen Süden. Fünfspurige Highways – je Richtung, über und unter verschlungenen Brückenkreuzungen, vorbei an Einkaufszentren, Wohnhäusern.. Beton, Beton. Und groß muss es sein in Amerika: Straßen, Häuser, Autos, Trucks. Was wir allerdings nicht entdecken konnten, waren Menschen. Keine Fußgänger, keine Fahrradfahrer. Die wie ein einziges Gewerbegebiet erscheinende Bebauung Meile für Meile links und rechts der Autopiste änderte sich schlagartig – Mangroven und Schilflandschaften zogen nun an uns vorbei: Wir waren in den Everglades. Dieser einzigartige Naturraum nimmt fast den gesamten Süden Floridas ein und ist ein Refugium für verschiedene Vögel, Schildkröten und Alligatoren. Besonders Hendrik war schon ganz aufgeregt, als wir eine Alligatorfarm betraten. Vom Baby bis zum ausgewachsenen Krokodil konnten wir alle in verschiedenen Bassins betrachten, nur der Grandpapa mit einer Länge von 14 Fuß hing präpariert an einer Holzwand aufgespießt. Mit einem der Airboote, die statt mit Schiffsschrauben mit Propellern angetrieben werden, fuhren wir durch die Mangroven. Plötzlich lag ein riesiges Fünf-Meter-Kroko im Schilf, riss sein Maul auf… „Made in China“, kommentierte der Bootpilot das Plastik-Werbe-Krokodil. Doch wir hatten Glück, wir entdeckten tatsächlich freilebende Alligatoren, eine Schildkröte tauchte aus dem schlammigen Wasser auf. Nur noch um eine Mangrovenecke, da lag die Schilflandschaft vor uns, der Pilot gab Gas und wir bretterten mehr über als auf dem zugewucherten Flachwasser. Seine Fahrkunst beweisend, schleuderte er sein Fahrzeug um 385°, um in eine andere Schilfschneise einzufahren, natürlich unter Kreischen der Fahrgäste, das allerdings im ohrenbetäubenden Propellerlärm unterging, als Wasser und Pampe ins Boot stiebten. Gut, dass sich Krokos bei derlei Touristenattraktionen verdrücken. „You are ok? - Alle Finger und Zehen noch dran?“, fragte der Parkwächter, als wir wieder zu unserer rollenden Heimstadt zurückkamen. Und weiter ging die Reise nach Süden.
 
Die Sieben-Meilen-Brücke
Wie kleine weiße Tupfer reihen sich Sandinseln südlich von den Everglades ins Meer. Ein gewaltiges Ingenieur-Projekt des 19. Jahrhunderts war es, das die Inseln untereinander in Verbindung brachte: Eisenbahnbrücken. Längst sind sie durch Autopisten ersetzt und lassen so den nimmer endenden Strom der Touristen nicht abreißen. War Key West, die letzte Insel der Kette noch Anfang des 20. Jahrhunderts ein Geheimtipp für Künstler und Prominente, ist es heute ein Touristenort per excellence. Auch wir rollten Key West entgegen, von einer Insel zur anderen und schauten von den Brücken auf das in allen Türkis-Blau-Tönen schimmernde Meer – rechts auf den Golf von Mexico, links auf den Atlantik. Als die längste Brücke mit ihren sieben Meilen und noch ein paar weitere hinter uns lagen, erreichten wir unsere „Osterinsel“, Little Duck Key.
 
Richtig Urlaub
Kann ein Urlaubstag kurz sein! Morgenkuscheln, Planschen, Spiele spielen, Kokosnüsse suchen Muscheln finden, Leguanen und Fregattvögeln hinterher schauen, Palmhütte bauen, Drachensteigen, Geschichten vorlesen, Kichern und Lachen und schon leuchtete der Orion-Schmetterling am Himmel, fielen Sternschnuppen zum Wünsche wünschen. Und dann die Frage bei allen: Ob der Osterhase überhaupt bis nach Amerika kommt?
 
Little Duck Key, 24.04.2011
 
Hendriks Tagebuch:
„Wir waren in Key West. Ich habe aus der Kokosnuss getrunken.“
 
Große Aufregung, als Johanna und Hendrik bunte Eier und deutsche Schokoladenhasen am Strand fanden! Ja, der Osterhase hatte uns gefunden und so konnten wir uns auf den Osterspaziergang machen. Mit dem Linienbus fuhren wir dazu nach Key West. Einst von Künstlern wie Hemingway bewohnt, wurde der Ort nach der touristischen Erschließung in den 1920iger Jahren von ihnen verlassen – zu groß war ihnen der Trubel, man zog damals nach Kuba weiter! Key West heute:  Kleine Straßen mit wunderschönen weiß angestrichenen Villen aus Holz, umgeben mit üppig blühendem Grün, beschattet von hohen Bäumen. Kleine Restaurants, Läden, Bars, Museen. So wie die vielen anderen Touristen lustwandelten wir die Straßen entlang, schauten am Hafen auf gigantische Motoryachten, ließen uns an einer Pier zum Ausruhen nieder, genossen Kokosmilch in verschiedenen Varianten – Johanna und Hendrik aus der Nuss, Uta und Claudia aus dem Cocktailglas. Zum Sonnenuntergang hockten wir wie Hunderte auf der Kaimauer, wo alle so taten, als ob´s der erste Sonnenuntergang ihres Lebens wär: Apparate klickten, Kameras surrten. Zwischen den Massen buhlten Straßenkünstler um Gunst und Dollars. Man flanierte auf und ab. Urlaubsflair. Und wir Sechs mittendrin! So schön kann Ostersonntag sein! Vor allem, wenn sich daran noch ein Ostermontag anschließen sollte mit Morgenkuscheln, Planschen, Spiele spielen, Kokosnüsse suchen, Muscheln finden, Leguanen und Fregattvögeln hinterher schauen, Palmhütte bauen, Drachensteigen, Geschichten vorlesen, Kichern und Lachen, Orion-Schmetterling am Himmel, Sternschnuppen zum Wünsche wünschen…
 
Key Largo, 26.04.2011
 
Hendriks Tagebuch:
„Wir waren mit Delphinen schwimmen.“
 
Ganz aufgekratzt trafen wir Hendrik, Johanna, Uta und Ralf nach einem getrennt verbrachten Nachmittag auf dem Campingplatz von Key Largo wieder. Die Vier besuchten eine der Lagunen, in denen zahme Delphine gehalten werden. So schoben und zogen die Meeressäuger die Badenden durchs Wasser, gaben Küsschen und „Pfötchen“. Ganz genau erklärten Johanna und Hendrik ihrem Opapa, wie glatt und schön sich die Delphinhaut anfühlt. „Wenn das nächste Mal Delphine an euer Boot kommen, müsst ihr unbedingt mit ihnen schwimmen“, waren sich die beiden einig.
 
Fort Lauderdale, 28.04.2011
 
Johanna:
„Ich freu mich schon.“
 
Blitzschnell verging die gemeinsame Ferienwoche. Wir mussten im Morgengrauen los, um unser Bahamas-Schiff zu erreichen, Uta, Ralf und die Kinder flogen am späten Nachmittag nach Berlin ab.
Großes Drücken und Herzen zum Abschied. Johanna freute sich aber trotzdem: „Wir können ja immer skypen“ – wir hatten ihr gezeigt, wie einfach es funktioniert. „Und wir müssen im Herbst unbedingt…“ und schon fingen wir an, gemeinsame Pläne zu machen. Stolz schaute der Käpt´n seine Blaubär-Enkel an – Johanna, die in den letzten Jahren ein richtiger Computerfuchs geworden ist und in der Schulband Keybord spielt und Hendrik, der kleine Fußballer, der inzwischen ein richtiges Tagebuch schreiben gelernt hat – und er flüsterte ihnen ins Ohr: „Ich freu mich auch schon.“
 
 
Grand Bahama
 
Freeport, 29.04.2011
 
Kreuzfahrt
Waren wir auf der Seereise von den Bahamas viel zu aufgeregt, sie zu genießen, taten wir es auf der Rückreise umso mehr. Wir standen am Heck des Schiffes, bis die Hochhaussilhouette von Fort Lauderdale hinterm Horizont verschwand. Wir frühstückten ausgiebig im Restaurant „Galaxy“, schwebten die großen bespiegelten Treppen hinunter, schauten über die Reeling ins schäumende Bugwasser. Wir beobachteten vom schattigen Liegestuhl die Sonnenanbeter auf dem Pooldeck, wobei Friedrich vor allem die Ergebnisse der plastischen Chirurgie auffielen. Bei Pina colada amüsierten wir uns über die animierten Amerikaner, die Hulahoop- oder ihre eigenen „Schwimm“-Reifen auf dem Partydeck kreisen ließen, Tierstimmen imitieren oder Obstsorten spielen sollten. Wir bummelten durch Casino- und Sport-Lounge – ersteres von ernsthaft dreinschauenden Ladies und Gentlemen belagert, zweites mit auf Flachbildschirme gerichteten Fernbedienungen, die Bowlingkugeln oder Golfbälle in Bewegung setzten. Kino, Disko, Livemusik, Essen, Trinken – alles all inclusiv. Jetzt war uns klar, dass wir uns beim Preis für die vermeintliche „Fähre“ fast verschluckt hätten – dies war einfach ein exklusives Ausflugsschiff für die meist nur als Tagesgäste cruisenden Floridatouristen, die schnell vor der Rückfahrt des Schiffes auf Grand Bahama mal baden oder shoppen gehen wollten. Doch wir gingen nach Hause.
 
Zuhause ist da, wo unser Boot ist.
… so hatten wir es Johanna und Hendrik erklärt – und es war wirklich ein Nach-Hause-Kommen. Die EDEN dümpelte unbeschadet an ihrem Steg in der einsamen und verlassenen Marina, die Mitarbeiter empfingen uns freudig und erkundigten sich sofort nach unserem Familienurlaub. Ganz langsam begann wieder der Segleralltag…